Die religiöse Politik Deutschlands in den
besetzten Gebieten der UdSSR
Auszug aus dem Artikel von D. Shukow im
Sammelband “Der Große Bürgerkrieg 1941-1945”
(Moskau 2002)
Es
ist allgemein bekannt, dass die Lage der
orthodoxen Kirche in Russland zu Beginn des
Krieges ziemlich traurig war. Im Juni 1941 waren
3732 Kirchen im Land geöffnet, dabei befanden
sich die meisten davon in den kürzlich besetzten
von Sowjets westlichen Gebieten. In den übrigen
Teilen Russlands gab es nur 350-400 geöffnete
Gotteshäuser! Die antireligiöse Propaganda
verband sich mit der gnadenlosen Säkularisation,
Schändung der Heiligtümer und heftigem Terror
gegen Geistliche. Kein Wunder, dass der Überfall
Deutschlands auf die UdSSR von vielen Gläubigen
mit versteckter Hoffnung auf eine Besserung der
Lage gesehen wurde. Einige legten ihre Hoffnung
auf Deutschland, weil sie dachten, ein Land, das
dem Bolschewismus feindlich gesinnt ist, würde
für die Probleme der Gläubigen das nötige
Verständnis haben. Andere dachten, das
sowjetische Regime würde in der sich radikal
verändernden Situation seine Einstellung zur
Kirche ändern. Beide behielten Recht. Die
Mehrheit der Geistlichen unter den russischen
Emigranten begrüßte den Kriegsbeginn. Dabei
zeichnete sich das Verhältnis zu Deutschland
durch Loyalität aus, auch wenn beiweitem nicht
alle dem Nationalsozialismus sympathisierten.
Hier ist es passend die Entwicklungsgeschichte
der Beziehung der NSDAP und der russischen
orthodoxen Kirche (im Ausland) zu erwähnen. Es
ist bekannt, dass die ersten Kontakte Hitlers
mit den russischen Emigranten in den ersten
Jahren seiner Bewegung geknüpft wurden. Einer
der Führenden in der NSDAP, der Russlanddeutsche
Max Erwin von Scheubner- Richter, der Begründer
der russisch-deutschen Volksfront “Wiedergeburt”
diskutierte ausführlich mit den russischen
Monarchisten Pläne zum Aufbau einer Organisation
orthodoxer Geistlicher, mit dem Ziel Russland
vom Bolschewismus zu befreien.
Weitere Schritte des Beziehungsaufbaus zwischen
den Nationalsozialisten und der russischen
Kirche fanden nach Januar 1933 statt, nachdem
Hitler Reichskanzler wurde. Die Unterstützung
der russischen Orthodoxie durch die NSDAP wird
von den modernen Geschichtsforschern als eine
Art Propaganda-Aktion gedeutet, die nichts mit
den Inhalten der nationalsozialistischen Lehre
zu tun hatte. Einige Autoren nennen die
Hitlerideologie heidnisch, andere atheistisch,
dritte satanisch oder okkult. Es existiert aber
auch die Meinung, das Hitlertum würde im großen
und ganzem nicht der christlichen Tradition
widersprechen (das behauptete z.B. der General
der Waffen-SS, der Belgier Leon Degrel). Eine
interessante Sicht der
Wahren-Orthodoxen-Christen (WOC), oder
“Katakomben-Kirche” genannt, wurde in deren
Zeitschrift “Die russische Orthodoxie”
(Nr.4-2000) veröffentlicht: “Die
Katakomben-Kirche hat immer bezeugt, dass Hitler
für die WOC ein von Gott auserwählter gesalbter
Führer ist, nicht nur im politischen, sondern
auch im geistlich-mystischen Sinn, dessen
Früchte bis zur heutigen Zeit spürbar sind.
Deshalb geben ihm die WOC die Ehre als einem
Gerechten, der außerhalb der Kirche steht, für
seinen Versuch die russische Erde von
jüdisch-bolschewistischen Heimsuchung zu
befreien. Ähnlich wie die alten Hebräer den
persischen König Kir geehrt haben, weil er das
Volk Gottes aus der babylonischen Gefangenschaft
befreite; wie die Heilige Kirche zu Hitlers
Lebzeiten für seine Gesundheit und Siege betete,
so betet sie auch nach seinem Tod für seine
unsterbliche Seele.” Es ist unbedingt
erforderlich wenigstens einige Vorhaben des
Dritten Reiches vor Kriegsbeginn zu nennen,
welche die russische Orthodoxie in Deutschland
betrafen. Die folgenden Fakten mögen unglaublich
erscheinen, und dennoch im März 1936 ist die
Orthodoxie zu einer der Hauptreligionen im Reich
erklärt worden (das deutsche Bistum der
russischen Kirche (im Ausland) bekam den Status
“Gemeinschaft öffentlichen Rechts”, welchen die
Katholiken und die Protestanten schon besaßen).
Eine mit staatlichen Mitteln geförderte
Bibelakademie sollte 1939 in Breslau eröffnet
werden. Gleichzeitig wird vom Führer persönlich
der Bau des orthodoxen Tempels in Berlin
angeordnet und Gelder zur umfangreichen
Erneuerung von 19 orthodoxen Kirchen im Reich
freigegeben. Im Dankesbrief des ersten
Hierarchen der russischen Kirche im Ausland, des
Metropoliten Anastasij, wurde Hitler “Führer im
Weltkrieg für Frieden und Wahrheit” genannt, für
den das ganze gläubige russische Volk, welches
unter dem Druck der bolschewistischen Sklaverei
die Befreiung erwartet, beständig Gebete zu Gott
emporschickte.
In den Jahren 1939-1940 hat das
Kultusministerium noch eine Reihe weiterer
Schritte in dieser Richtung unternommen. So,
nach der Zerschlagung Polens, wo die Orthodoxie
unbarmherzig verfolgt wurde (1938 sind mehr als
114 Kirchen geschlossen wurden), haben die
Deutschen dem russischen Volk alle geraubten
kirchlichen Güter zurückgegeben.
Jetzt gehen wir zu der unmittelbaren religiösen
Politik der Deutschen bei Beginn des
Einmarsches. Für die besetzten Gebiete war es
typisch, dass das russische Volk schnell zum
Glauben zurück fand. Die Bevölkerung nahm mit
großer Begeisterung an den Gottesdiensten teil,
die von den deutschen Geistlichen, aber
natürlich auch an den Gottesdiensten die von den
russischen orthodoxen Priestern durchgeführt
wurden. Es macht kaum Sinn zu sagen, die
geistliche Erweckung auf den besetzten Gebieten
sei eine absolut spontane Erscheinung. Man kann
den russischen emigrierten Historikern
W.Aleksejew und F.Stawru zustimmen, die
bemerken: “Im ganzen betrachtet lässt sich
sagen, dass die Intensität und Breite dieser
religiösen Widergeburt die zweite Taufe
Russlands genannt werden kann.” A. Hitler hat in
einem Befehl verboten jegliche
Bestrafungsmaßnahmen gegen Kirche zu
unternehmen. Der Minister für die Ostgebiete A.
Rosenberg erließ Ende 1941 eine spezielle
Verordnung über die Freiheit der Kirche.
Ähnliche Verordnungen erließen im Juli 1942 auch
die Reichskommissare Ostlands und Ukraines H.
Lose und E. Koch. Die Statistik zu den während
der deutschen Besatzung der UdSSR eröffneten
Tempel, von dem Kirchenhistoriker M.
Schkarowskij nachgezählt, sieht folgendermaßen
aus:
Im Nordwesten 470
Im Gebiet Kursk 332
Im Gebiet Krasnodar 229
Im Gebiet Stawropol 127
Im Gebiet Orlow 108
Im Gebiet Woronesh 116
Im Gebiet Krim 70
Im Gebiet Smolensk 60
Im Gebiet Tula 8
Und bis 500 Tempel in den Gebieten Moskau,
Kaluga, Stalingrad, Brjansk, Belgorod und im
Kaukasus. In Weißrussland wurden in diesen
Jahren nicht weniger als 600, und in der Ukraine
mindestens 5400 orthodoxe Kirchen eröffnet. Die
deutschen Machthaber und die Armee werden oft
der Räuberei und Zerstörung der Tempel
beschuldigt. Dem Bericht der “außerordentlichen
Kommission über die Schandtaten der
deutsch-faschistischen Besatzer” nach, wurden
1670 orthodoxe Kirchen zerstört oder beschädigt,
dazu 69 Kapellen und 1127 anderer religiös
genutzter Gebäude. Wir merken gleich an, dass
solche Berichte durch ihre Voreingenommenheit
herausragen und keine vertrauenswürdige Quelle
darstellen. Im einzelnen sagt der Bericht: Die
berühmte im Jahre 1073 erbaute Kirche “Uspenskaja”,
die zur Lawra in Kiew - Petschorsk gehört, wurde
von den Deutschen in Haufen Ziegel verwandelt.
Heute ist bekannt, dass dieser Tempel am
03.11.1941 von einer Gruppe Diversanten des NKWD
unter dem Kommando Kapitän (Hauptmann) Ljutin
gesprengt wurde. Der größte Teil der in diesem
Bericht erwähnter Kirchen wurde zerstört oder
geschändet indem sie als Lagerhallen,
Werkstätten oder als Museen des Atheismus noch
in den 30-er Jahren missbraucht wurden, und ein
Teil hat durch die sowjetischen Truppen Schaden
genommen. Das Kloster in Pskow - Petschora wurde
Anfang 1944 von der sowjetischen Luftwaffe
eifrig zerbombt, der Tempel des Hl.Petrus in
Riga ist nach dem Beschuss der sowjetischen
Artillerie gefallen.
Eine interessante oder beispielhafte Tatsache
ist die, dass die Soldaten der deutschen Armee
während eines schweren Gefechtes das eigene
Leben riskierend, die berühmte Tichwiner Ikone
der heiligen Mutter Gottes aus dem Tichwiner
Kloster raus gebracht haben. Am 22.03.1942 wurde
sie der russischen Kirche übergeben.
Übersetzung von Waldemar Peters
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