Deutsche
Nationalisten und Dostojewski
Im
April 1876 wurde Arthur Moeller- später hängte
er seinem Geburtsnamen den mütterlichen Namen
an- als Sohn eines königlich- preußischen
Baurates geboren, zu dessen Vorfahren preußische
Offiziere, Gutsbesitzer und Pastoren gehörten.
Das Gymnasium vor dem Abitur verlassend, führte
er nach seiner frühzeitigen Heirat und einem
auskömmlichen Erbe ein ungezwungenes Leben im
Künstlermilieu. Aus Gründen, die im Dunkeln
liegen, siedelte Moeller 1902 nach Paris über.
Während seines vieljährigen Auslandsaufenthalts
reifte er vom Europäer zum herkunftsbewussten
und stolzen Deutschen heran. Aus diesem Geist
heraus erschien zwischen 1904 und 1910 die
umfangreiche Essaysammlung ”Die Deutschen” mit
Biographien über deutsche Staatsmänner,
Philosophen und Künstler. Darin erklärte sich
der Autor ausdrücklich zum ”deutschen
Nationalisten”.
Erste unverwehbare Spuren
in der deutschen Geistesgeschichte hinterließ
Moeller durch eine kulturpolitische Großtat:
Zusammen mit einem russischen Dichter gab er
zwischen 1904 und 1914 die 22- bändige
Gesamtausgabe des russischen Dichters Fjodor
Dostojewski heraus. Für die geistig rege
deutsche Jugend vor und nach dem Ersten
Weltkrieg wurde die Lektüre Dostojewskis zu
einem Schlüsselerlebnis. Bei ihm vernahm sie die
Stimme der russischen Seele und einer mystischen
Lebenswelt, die keinen Zugang zum Liberalismus
und Rationalismus des europäischen Westens
erlaubte. Von dem Russen übernahm Moeller den
raunenden Propheten ton. Das Vermächtnis
Dostojewskis- die Verachtung für den westlichen
Materialismus, für Fortschritts- und
Vernunftglauben- wurde zu einer geistigen Waffe
der jungen Rechtsopposition in Deutschland.
Als ”Das dritte Reich”
1923 erschien, war der Autor schon ein wichtiger
Ideengeber der radikalen Rechten und der
intellektuelle ”Star” des legendären Juni- Klub,
wo sich regelmäßig republikfeindliche Gelehrte
und Publizisten trafen. Auf der Suche nach
außenpolitischen Bündnisgenossen für das in eine
Paria- Rolle gedrängte Deutschland richtete
Moeller- ohne eigentlich in die Gruppe der
Nationalbolschewisten eingeordnet werden zu
können- seinen Blick nach Osten. Als
literarischer Kronzeuge für den Kampf gegen den
Nihilismus des Westen diente ihm wiederum Fjodor
Dostojewski, der für die unverbrauchten
Seelenkräfte des russischen Volkes stand. In
”Sozialismus und Außenpolitik” versuchte sich
der deutsche Nationalist in einer nüchternen
Auslotung deutsch- russischer
Bündnismöglichkeiten: ”Der deutsche Sozialismus
kann sich nur dann für Rußland entscheiden, wenn
auch der russische Sozialismus erkennt, dass
jedes Volk seinen eigenen Sozialismus hat.”
Leider wagte der
politische Schriftsteller keine Schritte in die
Realpolitik. Seine Distanzierung zu den
Realpolitikern kann man, zum Beispiel, den
Gesprächen mit dem Kommunisten Karl Radek oder
mit Adolf Hitler entnehmen. Auf Radeks konkreten
Fragen wurden vom Angesprochenen keine klaren
Antworten gegeben; das Ausweichen in die
Diskussion über weltanschauliche Grundsätze
ließ zu keiner Verständigung kommen.
Eine ähnliche Scheu vor
greifbarer politischer Selbstverantwortung
bestimmte neben weltanschaulichen
Auffassungsunterschieden- z.B. in der
Rassendoktrin- auch sein Verhältnis zu den
Nationalsozialisten. Nach einem Gastvortrag des
NSDAP- Führers vor dem Juni- Klub im Jahr 1922
wandte sich dieser an Moeller mit den Worten:
”Sie haben alles das, was mir fehlt. Sie
erarbeiten das geistige Rüstzeug zu einer
Erneuerung Deutschlands. Ich bin nichts als ein
Trommler und Sammler. Lassen Sie uns
zusammenarbeiten.” Moeller reagierte
zurückhaltend...
Quelle: Artikel von
Jürgen W. Gansel ”Die dritte Partei für das neue
Deutschland”
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