Deutschland, einig Vaterland
Ansprache von Ursula Haverbeck am I. Bundeskongress
der National-Konservativen Bewegung der Deutschen aus Russland
Unter
diesem Titel steht die heutige
Veranstaltung. Handelt es sich dabei
nur um eine allgemeine Redensart,
oder ist es eine Mahnung, vielleicht
sogar eine Beschwörung? Einige mögen
dabei gedacht haben an das Gedicht
von Ernst Moritz Arndt, welches ja
in der letzten Ausgabe des Blattes
„Die Russlanddeutschen
Konservativen“ zu lesen ist:
„Was ist des Deutschen Vaterland?“In
diesem Gedicht weist Arndt auf die
Vielzahl der Stämme und Regionen
hin, die Friesen, die Preußen, die
Rheinländer, die Hessen, die
Sachsen und die Bayern usw. Wir
können
heute
auch hinzufügen und ergänzen die
Rußlanddeutschen.
Alle diese Stämme sind
heimatgebunden. Sie haben besondere
Sitten und Lieder und Sagen. Aber
jeder dieser Stämme, oder heute jede
dieser Regionen allein, ist noch
nicht Deutschland, Deutschland ist
etwas Umfassendes, was alle in sich
vereinigt. Es ist mehr als Bayern,
Rheinland, Sachsen oder Mecklenburg.
Diese einzelnen Gaue und Stämme in
ihrer Vielfältigkeit sind jeweils
für die dort lebenden Menschen
Heimat, vielleicht ließe sich sagen
Mutterland, aber was ist des
Deutschen Vaterland?
Betrachten wir dieses Wort
Deutschland etwas genauer. In der
Regel bezieht sich der Name eines
Volkes auf die Landschaft oder den
Stammesnamen. Das Reich der Franken
– Frankreich, das Reich der Angeln
und Sachsen – England usw. Bei dem
Wort Deutschland verhält es sich
anders. Wir nennen uns „Deutsche“,
unsere Sprache „Deutsch“ und sind
uns in der Regel nicht bewußt, daß
allein im Deutschen der Volksname
später als der Sprachname, daß
heißt, die Bezeichnung für das
Idiom, in dem das Volk spricht,
entstanden ist. Eine der ersten
schriftlichen Erwähnungen der
deutschen Sprache, nämlich die „theodisca
lingua“, ist uns bereits aus der
Zeit um 780 bezeugt und zwar bevor
ein Bewußtsein von einem deutschen
Volk aufkam. „Deutsch“ bedeutet
ursprünglich die volkliche
Sprachgemeinschaft, vielleicht im
Gegensatz zu der lateinischen
Sprachgemeinschaft der Gelehrten.
Wir kennen von dem
Sprachwissenschaftler Leo Weißgerber
ein ganzes Buch über „Der Sinn des
Wortes Deutsch“. Mit diesem Sinn und
der Herkunft des Wortes Deutsch hat
sich auch Hermann Wirth sehr
ausführlich und gründlich befaßt.
Das meiste aber verdanken wir wohl
unseren Märchensammlern und
Sprachwissenschaftlern und
Historikern, den Brüdern Grimm.
Jakob Grimm beschließt das Vorwort
zu dem Beginn des Deutschen
Wörterbuches:
„Deutsche, geliebte Landsleute,
welchen Reiches, welchen Glaubens
ihr seiet, tretet ein in die euch
allen aufgetane Halle euerer
angestammten, uralten Sprache, lernt
und heiliget sie und haltet an ihr,
euere Volkskraft und Dauer hängt in
ihr.“
An anderer Stelle sagt Jakob Grimm:
„In keinem Stück zeigt sich das
Band der Vaterlandsliebe stärker als
in Gemeinsamkeit der Sprache, und
durch Entfaltung und Ausbreitung der
hochdeutschen Mundart über unser
gesamtes Volk, hat sich das
Bewußtsein unserer Deutschheit,
unbekümmert um die inneren Grenzen
unserer Landschaften, erhoben,
erwärmt und gekräftigt.“
Hier finden wir den Bezug zu Arndts
Gedicht „Was ist des Deutschen
Vaterland?“
Der Sprachwissenschaftler Leo
Weißgerber kennzeichnet in seinem
Buch „Das Menschheitsgesetz der
Sprache“ die Muttersprache
als die Stelle, an der „Der Geist in
einer geprägten und dauerhaften Form
in das Menschenleben einbricht.“ Und
daraus folgert er, daß das
menschliche Gemeinschaftsleben, also
das Leben eines Volkes, vom Prinzip
des Geistigen her entschieden wird
und dieses Geistige findet seinen
Ausdruck in der Sprache. Das ist
nichts anderes als was Herder mit
seinem bekannten Wort „Völker sind
Gedanken Gottes“ meint. Wir können
also folgern, wenn geschichtlich
gesehen der eigene Volksbegriff der
Deutschen, der Begriff Deutsch, aus
dem Tatbestand der
Sprachgemeinschaft erwachsen ist,
dann leiten wir uns im Gegensatz zu
vielen anderen Völkern nicht von
einem Land oder einer biologischen
Eigenheit her, sondern von einem
rein Geistigen. Daraus erklärt sich
dann auch, daß gerade in der
deutschen Sprachwissenschaft der
Begriff „Volk“ immer wieder in die
Nähe der Sprachgemeinschaft oder
sogar in Übereinstimmung mit der
Sprache gesucht wird.
Unser Deutschland wird also zum
größten Teil neben Geschichte und
Kultur durch unsere Sprache
bestimmt, an und mit der jedes Kind
sein Denken und seine Weltanschauung
ausbildet.
Wie aber steht es nun mit dem
Einigsein? Wir singen in dem dritten
Vers des Deutschlandliedes:
„Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand, danach
laßt uns alle streben, brüderlich
mit Herz und Hand.“
Die Freiheit haben wir nicht. Um das
Rechtsleben ist es schlecht
bestellt, wenn der Deutsche
Richterbund in einer dpa-Meldung
feststellen muß: „Die Justiz
befindet sich im Würgegriff der
Politik“ (dpa-Meldung vom 31. Januar
2002). Um die Freiheit zu erringen
und das Rechtsleben wieder
herstellen zu können, dazu bedarf es
der Macht. Die haben wir nicht.
Nur für die Einigkeit der Deutschen
könnten wir jederzeit, und ein jeder
von uns, etwas tun. Hier ist das
größte Hindernis, daß in einer
repräsentativen Demokratie, nicht
das Wohl der Deutschen Volkes an
oberster Stelle steht, sondern die
auseinanderdriftenden Interessen der
verschiedenen Parteien. So haben wir
fortwährend Wahl-Kämpfe,
bei denen jede Partei siegen
will und das bei sechzehn
Landtagswahlkämpfen und einem
Bundestagswahlkampf. Dazu kommen
noch die Kommunalwahlen und der
Wahlkampf für das Europäische
Parlament.
Diese Aufsplitterung in
Parteiinteressen setzt sich bis in
die Familien fort. Besonders
unversöhnlich wird diese
Auseinandersetzung, wenn es um die
deutsche Zeitgeschichte geht. Da
wissen in der Regel die
Nachgeborenen – und das sind heute
auch noch die 60-jährigen – besser
als die Zeitzeugen, wie es in der
Zeit des Dritten Reiches und des
Zweiten Weltkrieges in Deutschland
aussah.
Wenn wir eine Vielzahl von Parteien
haben, von denen jede meint, die
Wahrheit zu besitzen, die
politisch durchgesetzt werden soll,
dann kann es keine Einigkeit geben.
Zum Glück ist die Mitgliederzahl
dieser Parteien sehr klein, und
nehmen immer weniger Deutsche an
diesen Parteiwahlkämpfen teil. Sie
wenigstens – bei einigen
Landtagswahlen bereits 50 %
Nichtwähler – könnten sich doch nun
um Einigkeit bemühen.
Wie das gelingen könnte, sagt unsere
Nationalhymne:
„Danach laßt uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand.“
Und wir fügen hinzu: und auch mit
Verstand!
Liebe Landsleute, dieses Gemeinsame
brüderliche Streben verlangt von
jedem Einzelnen, daß er sich einen
sicheren Erkenntnisstand verschafft
durch umfassende Informationen, daß
er nicht vergißt, wie mühsam dieser
Weg war und ihn daher auch jedem
anderen zubilligt, daß er auf den
Andersdenkenden offen zugeht, ihm
zuhört und dann gemeinsam mit ihm
einen weiterführenden Schritt tut.
Die Holzhammermethode, den anderen
mundtot reden, ist nicht hilfreich.
Überzeugen durch Hinterfragen und
die Bereitschaft, wenn geboten, auch
die eigene Meinung zur Disposition
zu stellen, sind Wege, die zu
Einigkeit führen können.
„Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand, danach
laßt uns alle streben, brüderlich
mit Herz und Hand.“
Damit kommen wir zu dem dritten Wort
aus „Deutschland, einig Vaterland“.
Jahrtausendelang galt die männliche
Linier als verantwortlich für den
Fortbestand des Geschlechtes. Fürst
wie Bauer wünschten sich den
Stammhalter. Das heißt keineswegs,
daß die Töchter weniger bedeutsam
waren. Im Gegenteil! Die Frau hatte
im Mittelalter, bis weit in die
Neuzeit hinein, die Schlüsselgewalt.
Sie war die Hausherrin, die Frau
Meisterin und bei den Königen die
Genossin der Herrschaft (Consors
regni).
Diese Herrin des Hauses, die
Hausfrau war die Mutter,
gleichberechtigt neben ihr stand der
Herr des Landes, der Vater, der
Vater wirtschaftete draußen, die
Mutter wirtschafte drinnen in Hof
und Haus.
Es ist mir völlig unverständlich,
warum heute die Frau wie der Mann
sein und der Mann die Arbeiten der
Frau ausüben soll? Daß es
unterschiedliche Bereiche und
Tätigkeiten gibt, wird nicht
bestritten, nur die Rollen der
Ausübenden werden vertauscht. Was
ist damit eigentlich gewonnen? In
jedem Fall ging bereits dadurch
verloren, die Ehrfurcht vor dem
Muttersein.
Hauptanliegen der Frauenemanzipation
war und ist offenbar auch heute
noch, daß die Frau die gleichen
Rechte haben wollte wie der Mann, an
dem sie sich orientierte:
Sie wollte das gleiche Wahlrecht wie
der Mann,
soviel verdienen wie der Mann,
sich so kleiden wie der Mann,
die gleichen Berufe wie der Mann,
die gleichen sexuellen Freiheiten
wie der Mann.
Sie wollte nicht mehr die andere
Seite des Menschenseins zur
Erscheinung bringen, diese
verschwindet mehr und mehr.
Gefühlskälte breitet sich aus. Die
Geborgenheit in der Familie fehlt
immer mehr Menschen. Der Mann kann
und sollte das nicht ersetzen.
Nach dem Wörterbuch der Brüder Grimm
ist der Begriff Vaterland genau von
dieser Aufteilung abgeleitet, der
Vater, der Bauer, der Mann, der das
Land bestellte und von diesem Land
des Vaters, lebte die Familie, gut
oder schlecht, je nach Tüchtigkeit
einer Hausmutter.
Ökonomie heißt übersetzt das Gesetz
des Hauses. Damit ist die
Hauswirtschaft gemeint. Es kann sich
aber auch auf das Haus des Volkes
beziehen und wird dann zur
Nationalökonomie, zur
Volkswirtschaft.
In der Hauswirtschaft mußte die
Hausfrau oder auch Hausherrin immer
mit einem begrenzten Einkommen gut
wirtschaften, zur Zufriedenheit der
Familienmitglieder. Ist diese Art
der Hauswirtschaft angesehen, wird
sie auch der Volkswirtschaft in
gewisser Weise zugrunde gelegt.
Heute haben wir vornehmlich
Betriebswirtschaft, worin sich
bereits die Egoität ankündigt, daß
heißt das Bezogensein auf einen
Sonderfall, auf einen besonderen
Betrieb. Und in der Hauswirtschaft
haben wir eine sehr große Anzahl von
Ein-Personen-Haushalten, bei denen
kaum noch von Hauswirtschaft
gesprochen werden kann.
Das Auseinanderfallen von Wohnung
und Arbeitsplatz, wie es sich in
industrielle Revolution ereignete,
veränderte die polare Lebensweise
zwischen Landesvater und Hausherrin.
Unsere Sprache stammt aber aus der
vorindustriellen Zeit. Wollen wir
sie wirklich verstehen, brauchen wir
Geschichtskenntnisse.
Die modern sein wollenden Menschen
meinen nun, man müsse Lebensweise
und Sprache dieser Jetztzeit
anpassen.
Sie übersehen aber dabei, wie
lächerlich kurzlebig eine solche
Jetztzeit ist, mit ihren Modetrends.
Das allermodernste ist
Gender-Mainstreaming. Dabei werden
männlich und weiblich als anerzogene
Eigenschaften gesehen, die zur
Disposition stehen.
Es würde nicht weiter verwunderlich
sein, wenn im Sinne dieses
Gender-Mainstreaming das Wort
Vaterland bald auch abgeschafft
würde und stattdessen Elternland
eingesetzt wird. Die Frage ist nur,
ob wir das mitmachen wollen. Ich
jedenfalls werde das nicht tun. Erst
recht nicht, weil ich weiß, daß
neben dem Vaterland die
Muttersprache steht. Die hierin
verborgene Weisheit übersteigt
sicherlich das Denkvermögen der
gegenwärtigen
Gender-Mainstreamerinnen.
Ich werde weiter mit Theodor Körner
singen:
„Drum, retten wir das Vaterland
So tat’s der Herr durch unsere Hand
Dem Herrn allein die Ehre!“
(Theodor Körner 1813)
Und ebenso:
„Deutschland, heiliges Wort,
du voll Unendlichkeit.
Über die Zeiten fort,
seiest du gebenedeit.“
(Eberhard Wolfgang Möller)
Deutschland, einig Vaterland,
es ist zu hoffen und zu wünschen,
daß viele gemeinsam diese Lieder
auch in Zukunft noch singen werden.
Ursula Haverbeck
|