Deutschlands Goldreserven an USA verpfändet?
Verschleierungstaktik der Bundesregierung
Die offiziellen Goldreserven der Bundesrepublik
Deutschland, knapp 3.500 Tonnen mit einem
Marktwert von rund 80 Milliarden Euro, gehören
theoretisch zu den zweitgrößten der Welt. Dass
dieser Schatz nicht im eigenen Land, sondern
größtenteils in der Federal Reserve Bank of New
York gelagert wird, wirft die Frage auf, wie es
tatsächlich mit der Souveränität der
Bundesrepublik bestellt ist. Denn ob die unter dem
Straßenpflaster von Manhattan gebunkerten
Goldbestände überhaupt noch verfügbar sind, ist
ungewiss. Unter Finanzexperten heißt es nämlich,
„die Amerikaner betrachten das deutsche Gold als
eine Art Wohlverhaltenspfand“. Anders ausgedrückt:
als eine Art Geisel für bundesdeutsches
Wohlverhalten gegenüber den USA.
Schwammige Antworten
Die Goldbestände entstanden vor allem in den
1950er und 1960er Jahren als Gegenfinanzierung der
damaligen Überschüsse in der Leistungsbilanz: Lohn
und Symbol des Wirtschaftswunders unter Ludwig
Erhard. Sie sollten Deutschland in Zeiten schwerer
Krisen absichern. Dieser Goldschatz ist vom
deutschen Volk als wichtiger Teil der nationalen
Währungsreserven hart erarbeitet worden. Dass so
gut wie der gesamte Bestand in die USA
„ausgelagert“ wurde, hat die Bundesregierung stets
verheimlicht.
Auf Anfragen von Bürgern an die Bundesbank, wie es
mit dem Verbleib des Goldes bestellt sei, folgen
allenfalls schwammige Antworten. Entsprechend
reagiert auch die Bundesregierung. Als der frühere
CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann 2002 eine
Reihe von Fragen zu den deutschen Goldbeständen an
die Parlamentarische Staatssekretärin im
Bundesfinanzministerium, Dr. Barbara Hendricks,
richtete, reagierte diese ausweichend und
irreführend: „Die Deutsche Bundesbank hält einen
großen Teil ihrer Goldbestände in eigenen Tresoren
im Inland. Sie lässt allerdings auch Goldbestände
an wichtigen Goldhandelsplätzen wie z. B. London
verwahren.“
Diese Antwort ist eine grobe Verdrehung der
Tatsachen. Denn inzwischen ist bekannt, dass nicht
ein „großer Teil“ der deutschen Goldbestände,
sondern nur ein kümmerlicher Rest im eigenen Land
deponiert wurde. Zwischenzeitlich wurde zudem
aufgedeckt, dass auch die seinerzeit von der
Bundesregierung gegebene Begründung für die
Auslagerung des Goldes nicht der Wahrheit
entsprach. Berlin teilte mit, die „Aufbewahrung“
im Ausland habe sich „historisch und marktbedingt
so ergeben, weil die Deutsche Bundesbank das Gold
an diesen Handelsplätzen übertragen bekam“. Und:
„Es macht aber auch aus betriebswirtschaftlichen
Gründen Sinn, solange die Lagerung dort
kostengünstiger ist als der Transport nach
Deutschland und der Bau zusätzlicher
Tresoranlagen.“ In einem kritischen Kommentar dazu
heißt es, verschwiegen werde, „dass die
Fremdlagerung unserer Goldreserven einen ganz
anderen historischen Hintergrund hat. Tatsächlich
wurde das deutsche Gold von den Amerikanern als
Faustpfand für gutes Verhalten in der Zeit des
Kalten Krieges angesehen.“
Der Wunsch Washingtons
Schon 1945 hatten sich die einmarschierenden
Amerikaner des deutschen Reichsbankgoldes
bemächtigt. Deshalb war die Reichsmark (RM) nur
theoretisch bis zu ihrem Ende 1948
(Währungsreform) durch Gold gedeckt. Die
D-Mark-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948 wies
folglich kein einziges Gramm Gold auf. Aber
bereits 1958 konnte die erst ein Jahr zuvor
gegründete Bundesbank eine Goldreserve im Wert von
11,1 Milliarden DM melden! Dieses Gold war dank
der hohen Exportüberschüsse im Rahmen der
Europäischen Zahlungsunion (EZU) in die
Bundesrepublik Deutschland geflossen.
In diesem Zusammenhang: Außenhandelsüberschüsse
wurden in der vor 60 Jahren gegründeten EZU zu
über 50 Prozent in Gold und Devisen beglichen. Der
Rest wurde als Kredit stehengelassen und kam den
Ländern zugute, die Defizite hatten. „Die EZU war
nichts anderes als ein Verrechnungs- und
Beistandskreditsystem. 1958, als 14
westeuropäische Länder die Konvertibilität ihrer
Währungen einführten, wurde sie überflüssig“,
heißt es in einer finanzpolitischen Betrachtung.
Unter den führenden Zentralbanken mit Goldbesitz
sei die Bundesbank die einzige, die nur einen
winzigen Teil ihres Bestandes auf eigenem
Territorium aufbewahre. Es sei überhaupt
„bemerkenswert“, dass die Bundesbank als „einzige“
der führenden Zentralbanken so verfahre. Weder die
USA noch Frankreich oder Großbritannien kämen auf
die Idee, ihr Gold in der Bundesrepublik
Deutschland zu bunkern. Ein Finanzexperte: „Man
hätte annehmen können, dass die Bundesbank nach
der Wiedervereinigung und Auflösung des Ostblocks
(Ende des Kalten Krieges) mit gutem Grund darauf
pochen würde, zumindest einen Teil des Goldes
zurück nach Frankfurt zu holen. Im Interesse guter
Beziehungen zur internationalen Finanzwelt werden
die Goldbarren wahrscheinlich bleiben, wo sie
sind.“ Denn dies entspräche dem Wunsch
Washingtons.
Der Blessing_Brieff
Sehr aufschlussreich in Bezug auf den Verbleib der
Goldreserven ist, was David Marsh, Korrespondent
der Financial Times von 1986 bis 1991, in seinem
1992 veröffentlichten Buch „Die Bundesbank –
Geschäfte mit der Macht“ schreibt. So stellt es u.
a. fest: „In den Tresorräumen in Frankfurt liegen
nur etwa 80 Tonnen, d. h. knapp über 2 Prozent des
Gesamtgoldes. Der Rest ist auf die Tresore anderer
Zentralbanken, der Federal Reserve Bank in New
York, der Bank of England und zu einem kleineren
Teil auch der Banque de France verteilt.“ Vertraut
sind intime Kenner der Frankfurter (Banken-) Szene
auch mit dem so genannten „Blessing-Brief“, der in
der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist.
Karl Blessing stand der Bundesbank von 1958 bis
Anfang 1970 vor. Zwischen ihm und der
Bundesregierung existierte ein geheimes
Verwaltungsabkommen. Besonders gefragt war die
Kooperation zwischen Frankfurt und Bonn, als Gold
wieder einmal in den Mittelpunkt der
Währungspolitik rückte und als Washington Ende der
1960er Jahre einen neuen finanziellen „Ausgleich“
für die Stationierungskosten von
US-Militär-Truppen in der Bundesrepublik forderte.
Auf entsprechenden Druck zeigte Bonn zunächst
nicht die gewünschte Haltung. Daraufhin wurde der
Bundesbankpräsident tätig. Per Brief –
„Blessing-Brief“ – sicherte er der Federal Reserve
die „Immobilisierung“ der deutschen Goldreserven
zu. Er versprach, dass die Bundesbank die Reserven
nicht aus den USA abziehen werde, „solange die USA
Stützpunkte in Deutschland unterhalten“. Dabei
soll es einen „dezenten Hinweis“ aus
US-Regierungskreisen mit Blick auf Berlin-West
gegeben haben.
Kein Nachvollziehbarer Grund mehr
Nach Beendigung des Kalten Krieges und dem
Verschwinden des Eisernen Vorhangs gibt es keinen
nachvollziehbaren Grund mehr für ein Verbleiben
der deutschen Goldreserven in fremden Händen. Doch
Hintergrundinformationen ist zu entnehmen, dass
die Bundesbank nicht frei entscheiden kann, wo
deutsche Goldreserven gelagert werden. Nach
Aussage eines früheren Bankers könne die
Bundesbank ihr Gold allenfalls unter einem Vorwand
und nur in kleinen Mengen aus New York abziehen –
alles andere würde als „Misstrauensbekundung“
bewertet.
Während sich Notenbanken weltweit verstärkt mit
dem Edelmetall absichern, soll Deutschland
offenbar weiter in der Abhängigkeit der Federal
Reserve Bank of New York bleiben. Dass in letzter
Zeit der Goldpreis einen Höhenflug verzeichnet,
nutzen andere Staaten im nationalen Interesse.
Doch der für unser Land zu ziehende Nutzen setzt
die uneingeschränkte staatliche Souveränität der
Bundesrepublik voraus. Zwar vermittelt die
Bundesbank nach außen stets den Eindruck, dass sie
jederzeit Verfügungsrechte über die deutschen
Goldbestände habe. Aber in Washington bzw. in New
York geht man davon aus, dass auch die
schwarz-gelbe Regierungskoalition keine Ansprüche
erhebt und der deutsche Goldschatz größtenteils
dort bleibt wo er ist. Offenbar spielt für
Regierende hierzulande keine Rolle, dass es sich
um deutsches Volksvermögen handelt.
Hans Weidenbach
„National-Zeitung“ |