Afghanistan: Verlogener Krieg der
USA
Es
gehört zu den Auffälligkeiten der Präsidentschaft
Obama, dass bisher weder in den Medien noch
überhaupt hinterfragt wird, warum das
US-amerikanische Pentagon Afghanistan eigentlich
unbedingt militärisch besetzen will. Die beiden
wichtigsten Beweggründe dafür können allerdings
schwerlich öffentlich zugegeben werden.
Bei der irreführende Diskussion über die für einen
»Sieg« in Afghanistan erforderliche Truppenstärke
– ob 30.000 zusätzliche Soldaten ausreichen oder
ob mindestens 200.000 gebraucht werden – wird von
offizieller Seite der wahre Grund verschleiert,
warum die USA überhaupt in diesem
zentralasiatischen Schlüsselland militärisch
präsent sind. Zwei Faktoren geben den Ausschlag
für die Präsenz amerikanischer Truppen in
Afghanistan: Zum einen die Sicherung des
Opium-Nachschubs für den weltweiten Heroinmarkt.
Die Drogen werden u.a. auch als geopolitische
Waffe eingesetzt und zwar in erster Linie gegen
Russland. Ohne die Kontrolle über den afghanischen
Drogenmarkt droht die bankrotte und korrupte
Finanzmafia von der Wall Street illiquide zu
werden.
Die geopolitische Bedeutung des Opiums aus
Afghanistan
Sogar aus einem offiziellen Bericht der Vereinten
Nationen geht hervor, dass die Opiumproduktion in
Afghanistan seit dem Sturz der
Taliban im Jahr 2001 dramatisch gestiegen ist. Die Daten von
UNODC, des UN-Büros für Drogen- und
Verbrechensbekämpfung, weisen für die vier letzten
Anbauperioden (2004–2007) eine höhere
Mohnproduktion auf, als während der
Taliban-Herrschaft. Heute wird in Afghanistan
vergleichsweise mehr Land für den Mohnanbau
genutzt, als für den Coca-Anbau in Lateinamerika.
Dementsprechend stammten 2007 etwa 93 Prozent
aller auf dem Weltmarkt angebotenen Opiate aus
Afghanistan.
Dass Washington den umstrittenen Präsidenten Hamid
Karzai, einen Warlord aus dem paschtunischen
Popalsai-Clan, der jahrelang im Dienst der CIA
gestanden hatte, ausgewählt und aus dem
amerikanischen Exil nach Afghanistan
zurückgebracht hat, um ihn dann im Stil von
Hollywood als »mutigen Führers seines Volkes« zu
präsentieren, ist hinreichend dokumentiert. Wie
afghanische Quellen bestätigen, ist Karzai der
Opium-»Pate« im heutigen Afghanistan. Er war und
ist wohl nicht zufälligerweise Washingtons Mann
der Wahl in Kabul. Und doch könnten seine Tage als
Präsident gezählt sein – dem massiven Stimmenkauf,
Wahlschwindel und Einschüchterungsversuchen zum
Trotz.
Es gibt noch einen zweiten Grund dafür, dass
amerikanische Truppen noch immer in Afghanistan
sind – lange nachdem die Welt vergessen hat, wer
der mysteriöse Osama bin Laden und seine
angebliche Terrororganisation
al-Qaida
eigentlich waren oder ob es sie überhaupt jemals
gab. Bin Laden und
al-Qaida
liefern nur den Vorwand für eine dauerhafte
amerikanische Truppenpräsenz und den Aufbau
mehrerer permanenter Luftwaffenstützpunkte in ganz
Afghanistan. Von diesen Stützpunkten aus sollen
allerdings keine
al-Qaida-Zellen,
die vielleicht in den Höhlen von Tora Bora
überlebt haben, ausradiert oder die inzwischen
fast zum Mythos gewordenen
»Taliban«
vertrieben werden. Letztere bestehen
Augenzeugenberichten zufolge heute ohnehin
überwiegend aus ganz normalen bodenständigen
Afghanen, die dafür kämpfen, ihr Land von der
militärischen Besetzung zu befreien, wie es sie
bereits in den 1980er-Jahren gegen die Russen
getan haben.
Die US-Basen in Afghanistan richten sich vielmehr
gegen die beiden Nationen, die zusammengenommen
heute als einzige zu einer Herausforderung für ein
globales amerikanisches Empire – im
Pentagon-Jargon »Full Spectrum Dominance« genannt
– werden könnten.
Das Mandat des Himmels geht verloren
Die amerikanische Machtelite an der Wall Street
und in Washington steckt derzeit mitten in der
schlimmsten Finanzkrise in der Geschichte des
Landes. Diese Krise bleibt der übrigen Welt nicht
verborgen und jeder versucht, zunächst das eigene
Überleben zu sichern. Im chinesischen Kaiserreich
gab es den Begriff des »Mandats des Himmels«, und
genau das haben die USA mittlerweile verloren.
Dieses Mandat wurde Herrschern oder herrschenden
Eliten verliehen, die ihr Volk gerecht und fair
regierten. Regierten sie hingegen tyrannisch oder
despotisch, unterdrückten und missbrauchten sie
das Volk, dann verloren sie das Mandat des
Himmels.
Wenn die einflussreichen Finanzeliten, die im
vergangenen Jahrhundert in der amerikanischen
Finanz- und Außenpolitik zumeist das Sagen gehabt
haben, überhaupt je ein »Mandat des Himmels«
besessen haben, so ist es heute mit Sicherheit
verloren. Die innenpolitische Entwicklung geht in
Richtung eines Polizeistaats, in dem die Bürger
ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt werden,
und wo nicht gewählte Vertreter wie ehemals
Finanzminister Henry Paulson und heute Tim
Geithner willkürlich den Steuerzahlern ohne deren
Zustimmung Billionen stehlen, um damit den größten
Wall-Street-Banken aus der Patsche zu helfen, die
als »zu groß, um unterzugehen« gelten. All dies
beweist der ganzen Welt, dass sie das Mandat
verloren haben.
In dieser Situation versucht die amerikanische
Machtelite mit zunehmender Verzweiflung, die
Kontrolle über ein globales parasitäres Imperium
aufrechtzuerhalten – der »Globalisierung«, um die
Sprache der ihnen hörigen Medien zu benutzen. Zur
Sicherung dieser Dominanz müssen sie um jeden
Preis eine sich anbahnende Zusammenarbeit im
Bereich Wirtschaft, Energie oder Verteidigung
zwischen den zwei eurasischen Mächten, die in
Zukunft zu einer Herausforderung für die Kontrolle
der alleinigen Supermacht USA werden könnten –
nämlich China und Russland – im Keim ersticken.
Beide eurasischen Mächte bringen entscheidende
Vorteile mit. China verfügt über die robusteste
Volkswirtschaft der Welt, über eine riesige junge
und dynamische Arbeitskraft und eine gut
ausgebildete Mittelschicht. Russland, dessen
Wirtschaft sich bis heute nicht von den
Verwüstungen erholt hat, die ihr am Ende der
Sowjetära und mit der primitiven Ausbeutung unter
Jelzin zugefügt worden sind, hat trotzdem einiges
zu bieten. Russlands Atomstreitmacht und das
Militär – ein Erbe aus der Zeit des Kalten Kriegs
– bedeuten heute die einzige Bedrohung für die
militärische Dominanz der USA. Die russische
Militärelite hat dieses Potenzial stets bewahrt.
Darüber hinaus verfügt Russland weltweit über die
größten Erdgasvorkommen und über riesige
Erdölreserven, auf die China dringend angewiesen
ist. Die beiden Mächte nähern sich über die von
ihnen im Jahr 2001 neu gegründeten Organisation
Shanghai
Cooperation Organization (SCO)
zunehmend einander an. Zur SCO zählen neben
Russland und China auch die größten
zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan,
Tadschikistan und Usbekistan.
Der wahre Zweck des angeblichen Kriegs der USA
gegen die
Taliban und
al-Qaida
ist der, die eigene militärische Streitmacht in
dem geografischen Raum zwischen diesen
aufstrebenden SCO-Ländern in Zentralasien zu
platzieren. Der Iran ist dabei nur ein
Ablenkungsmanöver, das Hauptziel sind Russland und
China.
Es gibt keine Bedrohung durch
al-Qaida
Das wird deutlich, wenn man die angeblich von
al-Qaida
in Afghanistan ausgehende Bedrohung genauer
betrachtet. Präsident Obamas neuer Nationaler
Sicherheitsberater, der ehemalige General der
Marines
James Jones, hat eine Erklärung über die
gegenwärtige Stärke von
al-Qaida
in Afghanistan abgegeben, die von den US-Medien
sogleich unter den Teppich gekehrt worden ist. Vor
dem Kongress erklärte Jones: »Die Präsenz der
al-Qaida
ist deutlich zurückgegangen. Es wird geschätzt,
dass allenfalls noch 100 Kämpfer im Land
operieren; sie verfügen weder über Basen, noch
sind sie in der Lage, uns oder unsere Alliierten
anzugreifen.«
Das heißt, dass
al-Qaida
in Afghanistan praktisch nicht mehr existiert.
Selbst im benachbarten Pakistan gibt es nur noch
Überreste von
al-Qaida. Im
Wall Street Journal war zu lesen: »Gejagt von amerikanischen
Drohnen, von finanziellen Schwierigkeiten geplagt
und mit der wachsenden Schwierigkeit konfrontiert,
junge Araber in die kahlen Gebirge Pakistans zu
locken, sieht
al-Qaida die eigene Rolle in Pakistan
und Afghanistan schwinden; das berichten zumindest
Geheimdienstkreise sowie pakistanische und
amerikanische Vertreter. Arabische Jugendliche,
unter denen
al-Qaida hauptsächlich ihren Nachwuchs
rekrutiert hat, ›finden es nicht romantisch,
frieren, hungern und sich zu verstecken zu
müssen‹, so der Kommentar eines hochrangigen
amerikanischen Vertreters in Südasien.«
Denkt man diese Erklärung logisch zu Ende, kommt
man zu dem Schluss, dass der Grund, warum deutsche
Soldaten und andere junge Menschen der
NATO-Truppen in den afghanischen Bergen sterben
müssen, nicht darin liegt, »einen Krieg gegen den
Terrorismus« zu gewinnen. Dementsprechend
vergessen die meisten Medien auch lieber, dass die
al-Qaida
– in dem Maße, wie es sie überhaupt jemals gegeben
hat – in den 1980er-Jahren ein Geschöpf der CIA
war, die damals in der ganzen islamischen Welt
radikale Muslime für den Kampf gegen die
russischen Truppen in Afghanistan rekrutierte und
ausbildete. Es war Teil der damaligen Strategie
von Reagans CIA-Chef Bill Casey und anderen, der
Sowjetunion ein »neues Vietnam« zu bereiten, das
zu einer erniedrigenden Niederlage für die Rote
Armee und schließlich zum Zusammenbruch der
Sowjetunion führen würde.
Jetzt hat Jones, der neue Chef des Nationalen
Sicherheitsrats der USA, zugegeben, dass es die
al-Qaida
in Afghanistan praktisch nicht mehr gibt.
Vielleicht ist es nun Zeit für eine ehrlichere
Debatte in unserer politischen Führung darüber,
dass noch mehr junge Menschen in den Tod geschickt
werden, um die Opiumernte in Afghanistan zu
schützen.
F. William Engdahl |