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MERKEL: Georgien soll NATO-Mitglied werden

Sterben für Georgien?

Diesmal haben die Deutschen noch Glück gehabt. Wäre Georgien, wie von Washington gewünscht, bereits NATO-Mitglied, steckten wir tief in der Bündnisfalle.

Berlin müßte entweder ein Expeditionskorps in den Kaukasus entsenden (wo deutsche Gebirgsjäger schon 1942 die Reichskriegsflagge auf dem Elbrus hißten) oder gar an Rußlands Westgrenze eine neue Front eröffnen. Schon ersuchte der georgische Präsident Saakaschwili um westliches Eingreifen. Einem NATO-Staat wäre es schwerlich zu verweigern. Die Welt stünde am Rand des Dritten Weltkriegs.

Zur Erinnerung: Meist war es Bündniszwang, der Deutschland in die größten Katastrophen schliddern ließ: 1914 folgte man Österreich-Ungarn, 1941 mußte man zunächst den Italienern auf dem Balkan und in Nordafrika aus der militärischen Patsche helfen, um dann auch noch dem Achsenpartner Japan mit einer Kriegserklärung gegen die USA beizuspringen. Umgekehrt hatte 1939 Englands Garantie für Polen das Unheil erst ausgelöst. An regionalen Feuerherden entzündete sich der Weltbrand und riß Bündnispartner da wie dort in den Untergang.

"Mourir pour Dantzig?'', fragte vor 70 Jahren die französische Presse: Sterben für Danzig? Man ist gestorben - millionenfach. Und nun "Mourir pour la Géorgie"? Viel fehlte nicht. Washingtons Statthalter in Tiflis erwies sich allerdings als zu zappelig. Ohne ausreichende Rückendeckung schlug er gegen Südossetien zu, das sich 1992 und nochmals 2006 in Volkabstimmungen von Georgien losgesagt hat und russischen Schutz beansprucht.

Wer ist dieser Michail Saakaschwili? In New York absolvierte er ein Förderprogramm des US-Außenministeriums, arbeitete dort als Anwalt und Lobbyist der Ölindustrie. Mit Geldern der amerikanischen Ostküste, insbesondere der Soros-Stiftung, kaufte er sich 1995 in die georgische Politik ein, trieb 2003 als Anführer der "Rosenrevolution" das Parlament auseinander. Seine Wiederwahl als Präsident im Januar 2008 beruhte nach Auskunft des Leiters der OSZE-Beobachterkommission auf "groben, fahrlässigen und vorsätzlichen Fälschungen". Saakaschwilis Hauptberater ist der US-Politologe Daniel Kunin. Fast die Hälfte der Georgier lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze. Dafür explodierte das Militärbudget des Landes von 20 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf heuer 1,5 Milliarden. Die Waffen samt Ausbildern kommen aus den USA und Israel, das auch zwei Minister in der georgischen Regierung stellt.

Bezeichnenderweise entsandte Saakaschwili georgische Hilfstruppen zur Verstärkung der Amerikaner nach Afghanistan und Irak. Zugleich beklagt er sich bitterlich über russische Militäreinsätze auf georgischem Gebiet. Was man sich selber herausnimmt, soll anderen verboten sein. Dies ist das herausstechende Merkmal der "Neuen Weltordnung". Gerade erst hat man den aus Jugoslawien herausbombardierten Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt. Ohne Rücksicht auf serbische und russische Einwände. Dagegen soll das Selbstbestimmungsrecht der Osseten und Abchasen hinter Georgiens Interesse an territorialer Unversehrtheit zurücktreten. Erkläret mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur!

Und wir Deutsche? Für uns ist es höchste Zeit, ein paar Grundsatzfragen zu stellen. Zum Beispiel über die Zukunft der Nato. Welchen Sinn ergibt heute noch die Fortsetzung eines Bündnisses, dessen Anlaß und Widerpart, die Sowjetunion, seit bald 20 Jahren im Orkus modert? Braucht das vom Eisernen Vorhang befreite Europa nicht eine neue Sicherheitsstruktur unter Einschluß Rußlands? Darüber hinaus würde man gern wissen, welchem globalen Ordnungsmodell die deutsche Politik zuneigt - dem unipolaren oder dem multipolaren. Soll sich die ganze Menschheit an den USA ausrichten, oder bevorzugt man eine Welt unterschiedlicher, gleichberechtigter Kraftzentren? Darü-ber wird hierzulande leider nicht diskutiert. Wie bei der EU vollzieht sich auch der Gestaltwandel der Nato - von einem Verteidigungspakt zu einem imperialistischen Interventionsinstrument - schleichend und ohne Volksbefragung.

Wo gezündelt wird, darf Polen nicht fehlen. Als sei die Kaukasus-Krise noch nicht genug, gestattet Warschau den Amerikanern die Stationierung von (Abwehr-)Raketen. Sie richten sich nicht gegen Rußland, heißt es, sondern gegen den Iran. Dieser bedrohe Europa mit Nuklearwaffen. Auch deutsche Politiker reden so. Seltsam nur: Honeckers Atombunker nördlich von Berlin soll Ende Oktober für immer verschlossen werden. Er böte Platz für mindestens 400 Menschen. Auch ansonsten findet in Deutschland kaum noch Zivilschutz statt. Will man uns sehenden Auges von den Persern ausrotten lassen - oder ist die Schreckensvision nur wieder ein Schabernack aus Texas?

 

Harald Neubauer

Nation&Europa

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