«Unser Bismarck» in Russland
Ende
Dezember v. J. erschien in Moskau ein
einzigartiges Buch - „Unser Bismarck“. Dieses
schöne Buch wurde zum ersten Mal in Deutschland
zum 80. Geburtstag von Bismarck 1895
herausgegeben. Jetzt erscheint seine zweite
Ausgabe in Russland zum 110. Todesjahr von
Bismarck, dieses Mal in deutscher und russischer
Sprache - eine Prachtausgabe mit zahlreichen
Bildern als eine Würdigung des großen deutschen
Politikers, dessen diplomatische Laufbahn in
Russland begann.
In der Weltgeschichte gibt es nicht so viele
Persönlichkeiten, die zu wahren Symbolen ihrer
Länder geworden sind und dabei die geschichtliche
Entwicklung wesentlich geprägt haben. „Es gibt
kein Prophet in eigenem Lande“ - man hört es oft
über große Persönlichkeiten, deren Verdienste ihre
Nachfolger erst nach vielen Jahrzehnten würdigen
können. In diesem Zusammenhang kann man Otto von
Bismarck mit Recht als Schoßkind des Glücks
bezeichnen. Seine beispiellose Verdienste im
diplomatischen Bereich, seine Staatskunst und
herausragendes politisches Talent haben ihm nicht
nur Wohlwollen des Monarchen, sondern auch Liebe
des Volkes gebracht.
Man kann geschichtliche Vergleiche mit russischer
Geschichte machen, um zu bewerten, was Bismarck
für Deutschland und Deutschen geschaffen hat. Wenn
russische Fürsten mehrere Jahrhunderte brauchten,
um nach Fürstenfehde und Tatarenjoch zerteilte
russische Länder zu vereinigen, brauchte Otto von
Bismarck für die deutsche Vereinigung ein Paar
Jahrzehnte. Natürlich hatte er die Segnungen der
Arbeit seiner Vorfahren – preussischer Kurfürste
und Könige vor sich, aber mehrere Dutzende
Fürstentümer und Freistädte rund um eine Idee des
starken Reiches und des mächtigen Keisers zu
vereinigen, - das ist eine Errungenschaft, die
wenige vergleichbare Beispiele in der
Weltgeschichte hat. Als Vereiniger
Deutschalands hat Bismarck auch die Grundsteine
dessen Beziehungen zu seinem großen Nachbarn im
Osten gelegt. Er ermahnte, niemals den Draht nach
Russland abreißen zu lassen. Damals hat die
russische Politik maßgeblich zur deutschen Einheit
beigetragen. Und zum zweiten Mal in der Geschichte
hat sie die entscheidende Rolle bei der deutschen
Wiedervereinigung Ende 1980er Jahre gespielt.
Jetzt aber geht es darum, die geistigen und
materiellen Potenziale Deutschlands und Russlands
in den Dienst der europäischen Völkerfamilie zu
stellen, um eine grundsätzlich neue, friedliche
europäische Ordnung ohne Trennungslinien, ohne
Herrschafts - und Rüstungswahnsinn, ohne
Feindschaften und Rivalitäten zu schaffen
In jedem biographischen Werk über große
historische Persönlichkeiten ist auch die
Einstellung des Verfassers zur beschriebenen
Person zu sehen. Dieses Buch ist voll von
Sympathie zum greisen Helden, der in Einsamkeit in
seinem Landsitz Friedrichsruh weit vom Lärm der
Hauptstadt wohnt. Das ist eine Art Hommage aller
Deutschen an das lebendige Symbol ihrer nationalen
Idee. Dieses Buch wurde nicht umsonst zum 80.
Geburtstag des Fürsten geschrieben, es war als
Geschenk an den ehemaligen Reichskanzler nicht nur
von Autoren – Kraemer und Ahlers, sondern auch von
allen Deutschen gedacht, denn es gibt keine
bessere Danksagung an einen Staatsmann, als
Anerkennung seiner Verdienste.
Dieses Buch ist auch ein kunstliterarisches
Denkmal der Epoche, ein Album, das von einem
begabten Künstler Ahlers illustriert ist. Es gibt
uns das Kolorit der damaligen Gesellschaft. Auf
zahlreichen Zeichnungen und Holzschnitten sehen
wir die Zeitgenossen des großen Kanzlers, Otto von
Bismarck selbst, wir können Landschaften und
architektonische Denkmäler bewundern, viele von
welchen in der Flamme beider Weltkriege vernichtet
wurden. Dieses Buch hat auch einen großen
künstlerischen Wert, weil es nicht bloß eine
Biographie von Otto von Bismarck und Aufzählung
seiner Verdienste ist. Nein, die Verfasser haben
viel mehr geschaffen. Sie haben den Lesern ein
komplexes Bild des gesellschaftlichen Lebens in
Deutschland in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts gezeigt. Da sehen wir den jungen
Otto, der in Göttingen studiert, und wir geraten
in die Atmosphäre des Studentenlebens einer
deutschen Stadt, erfahren zahlreiche Einzelheiten
über Sitten und Bräuche deutscher
Burschenschaften. Und im nächsten Kapitel sehen
wir ein typisches deutsches Bad, das wir gut aus
den Werken russischer Klassiker kennen. Aber auch
hier erfahren wir viele neue Details, die nicht
nur mit dem Leben des greisen Kanzlers, sondern
auch mit dem Leben einfacher Besucher Bad -
Kissingens verbunden sind. Dieses Werk trägt
demzufolge dazu bei, dass russische Leser ihre
Kenntnisse über das kultur-geschichtliche Erbe
Deutschlands wesentlich vertiefen.
Der Sponsor der Ausgabe, Chefdirektor des Moskauer
Messezentrums „Expozentrum“ und der frühere
stellvertretende Handelsminister W. L. Malkewitsch
hat mit Recht in seiner Einleitung betont: „ Die
Gebote Bismarcks über gute Beziehungen mit
Russland haben auch heute ihre Bedeutung bestimmt
nicht verloren. Davon zeugen dynamische
vielseitige Beziehungen zwischen unseren Ländern.
Nach dem 2. Weltkrieg bleibt Deutschland im Laufe
von mehr als 60 Jahren der Haupthandelspartner
Russlands, wobei es mit dem Warenaustausch andere
Staaten wesentlich übertrifft. Russisch-deutsche
kulturelle und politische Kontakte werden auch
intensiv ausgebaut. All das lässt uns hoffen, dass
Russland und Deutschland auch in der Zukunft ihre
Beziehungen auf Grund der Prinzipien ausgebaut
werden, die vom Fürsten Otto von Bismarck und dem
russischen Außenminister Fürsten A. M.
Gortschakov gegründet wurden“.
Dieses Buch ist für russische Leser auch deswegen
wichtig, weil Otto von Bismarck ständig ein
überzeugter Russenfreund war. In diesem
Zusammenhang verkörperte er eine These, dass man
andere Völker nur dann achten und schätzen kann,
wenn man das eigene Volk schätzt und achtet, dass
man nur dann die Lebensweise seiner Nachbarn
begreift, wenn man einen eigenen Stützpunkt hat.
Die Katastrophen des 20. Jahrhunderts haben im
Bewusstsein der Bürger Russlands den wahren
Antlitz des deutschen Volkes nicht verfälscht.
Mit Recht hat der Übersetzer des Buches ins
Russische und Autor zahlreicher historischer
Anmerkungen zum russischen Band Dr. Phil.
Alexander Kamkin geschrieben: „Das
Beispiel Otto von Bismarcks zeigt, wie tief und
fruchtbar die Vaterlandsliebe sein kann und zu
welchen glänzenden Errungenschaften sie, vereint
mit fester Überzeugung, führen kann. Es ging bei
ihm nicht um blinde Selbstverherrlichung seines
Landes und seines Volkes, wie es im 20.
Jahrhundert in vielen Ländern passierte. Es war
eine schöpfende Kraft, welche zur Basis seiner
Taten wurde. Otto von Bismarck war wirklich ein
Prophet in eigenem Land“.
Die beiden Bänder dieses schönen Buches wurden
Anfang Februar dem Nachkommen von Otto Bismarck -
Karl-Eduard Graf von Bismarck und dem
Bismarck-Museum in Friedrichsruhe überreicht.
Prof. Dr. habil., Wjatscheslaw Daschitschew
Russische Akademie der Wissenschaften, Zentrum für
internationale
wirtschaftliche und politische Studien.
Im April 2009 |