Stecken von der NATO gedeckte Drogenkriege
hinter der jüngsten Instabilität in Kirgisistan?
Angeblich stehen die jüngsten ethnischen
Zusammenstöße in Kirgisistan in Verbindung mit
Drogenkriegen zwischen rivalisierenden
ethnischen Gruppen. Bei den gewalttätigen
Auseinandersetzungen im Süden der ehemals
sowjetischen zentralasiatischen Republik
Kirgisistan sind vermutlich Tausende ums Leben
gekommen.
In der südwestlichen Stadt Osch, der ethnischen
Machtbasis des gestürzten kirgisischen
Präsidenten und Drogenbosses Kurmanbek Bakijew,
war es Ende vergangenen Monats zu Kämpfen
zwischen ethnischen usbekischen und kirgisischen
Gruppen gekommen. Wenn es dabei tatsächlich um
Drogen ging, dann würde dies in das in meinen
früheren Beiträgen beschriebene geopolitische
Szenario passen, wonach die NATO und Washington
versuchen, vermittels des afghanischen
Heroinhandels Chaos und Instabilität zu
verbreiten. Mit Taliban oder Terrorismus hat das
nichts zu tun, sondern vielmehr mit Washingtons
geopolitischem Plan, China, Russland und
indirekt Westeuropa, besonders Deutschland,
unter seine Herrschaft zu unterwerfen.
Die Gewalt, die am 11. Juni in Bakijews
Heimatbasis Osch ausbrach, wirkt sich
unmittelbar auf das strategische Fergana-Tal
aus, der Heimat des
Islamic Movement
of
Uzbekistan (IMU), einer Gruppe, die,
wie ich in der Serie
Warum Afghanistan darlege, eigentlich nichts
weiter ist als eine als islamische Kämpfer
verkleidete Drogenbande. Es wird vermutet, dass
die CIA und andere westliche Geheimdienste
verdeckt die
IMU unterstützen, um über dieses Vehikel die NATO-Präsenz in
der geopolitisch strategischen Region
auszudehnen.
Zahlreichen Berichten zufolge hat die Familie
Bakijews, des ehemaligen Präsidenten von
Washingtons Gnaden, der 2005 durch die von den
USA unterstützte »Tulpen-Revolution« an die
Macht gekommen war, den lukrativen Heroinhandel
von Afghanistan nach Russland und Westeuropa
beherrscht. Als er im Frühjahr dieses Jahres
durch einen sehr komplexen Putsch der Opposition
gestürzt wurde, hinterließ er ein Machtvakuum im
Drogengeschäft, das andere Banden nun
anscheinend mit Gewalt ausfüllen wollten.
Opium-Geopolitik
Klar ist, dass die Massaker von Osch
weitreichende geopolitische Konsequenzen haben
werden. Washington fordert eine
UN-»Friedenstruppe« für das Land – ganz im Sinne
des längerfristigen Plans, die militärische
Präsenz der NATO in der Region des Fergana-Tals
und in Afghanistan zu rechtfertigen.
Wie aus UN-Berichten hervorgeht, ist die
militärische Präsenz der USA seit der
US-Invasion in Afghanistan im Jahr 2001 –
angeblich mit dem Ziel, Osama bin Landen zu
fangen – mit einer beispiellosen Ausweitung der
afghanischen Opiumproduktion einhergegangen.
Heute stammen 93 Prozent des weltweit
gehandelten Heroins aus afghanischem Opium. Als
die USA vor neun Jahren in das Land
einmarschierten, hatten die Taliban die
Opiumproduktion fast völlig ausgerottet. Erst
kürzlich hat Botschafter Richard Holbrooke, der
amerikanische Sondergesandte für Afghanistan,
angekündigt, die USA würden den (völlig
erfolglosen, ist man versucht zu sagen) Versuch
einstellen, das Opium auszurotten, da dieses,
wie er sagte, die kleinen Bauern von den USA
»entfremden« würde. Wir mir afghanische Quellen
versichern, hat die fortgesetzte Truppenpräsenz
der USA und der NATO schon heute die Mehrheit
der Menschen in Afghanistan entfremdet.
Tatsächlich besteht die US-Politik im Krieg,
sowohl unter dem vor wenigen Tagen entlassenen
Stanley McChrystal als auch unter dem neuen
US-Befehlshaber General Petraeus aus
Counter
Insurgency (Aufstandsbekämpfung),
COIN,
oder wie ich in meinem Aufsatz
Warum Afghanistan? Teil II: Washingtons
Kriegsstrategie in Zentralasien beschreibe,
aus »friedenssichernden Maßnahmen«, d.h. der
Strategie, Krieg und Instabilität zu verbreiten,
um die verstärkte NATO-Präsenz gegenüber der
Welt als »Friedenssicherung« in der Region zu
rechtfertigen. Das Pentagon strebt die
Vorherrschaft im wichtigen zentralasiatischen
Raum an, um auf diesem Weg China, Russland,
Zentralasien und den Iran beherrschen zu können.
Wie schon bei der
CIA
und den US-Streitkräften während des
Vietnamkriegs Anfang der 1970er Jahre, so wird
auch hier der illegale Drogenhandel zum
geopolitischen Werkzeug, um Terror und
Instabilität zu verbreiten und einen Vorwand für
die verstärkte US-Truppenpräsenz zu schaffen, um
»die Lage zu stabilisieren«.
Die Invasion des Westens nach Afghanistan im
Jahr 2001 hat das Land einerseits zu einer nicht
versiegenden Quelle für den weltweiten
Drogenhandel und andererseits zum Ausgangspunkt
um sich greifender Instabilität gemacht.
Momentan erfasst diese den gesamten
post-sowjetischen zentralasiatischen Raum, der
Putsch in Kirgisistan und das Massaker von Osch
waren nur einzelne Szenen eines größeren Dramas.
Zu den vorrangigen Zielen des
afghanisch-kirgisischen Drogenhandels zählt
Russland; nach Berichten gut platzierter
asiatischer Quellen wird das Heroin aus
Afghanistan und amerikanischem militärischen
Schutz über den amerikanischen
Luftwaffenstützpunkt Manas in Kirgisistan nach
Russland geflogen und geht über Kosovo weiter an
westeuropäische Drogenhändler.
Der Chef der Russischen Drogenbekämpfungsbehörde
Viktor Iwanow hat kürzlich erklärt: »Die
vorliegenden Beweise sprechen eindeutig dafür,
dass die frühere kirgisische Führung den
Drogenhandel im Lande unter ihrer Kontrolle
hatte, was anderen Drogenbaronen ein Dorn im
Auge war, die sich um ihren Anteil am Gewinn
betrogen fühlten. «
Laut Iwanow sind vermutlich bis zu 500
Drogenlabors in Afghanistan an der Produktion
von Drogen beteiligt, die dann nach Russland
verschickt werden. Im vergangenen Jahr haben die
russischen Behörden den USA eine Liste von
»Marken« übergeben, die auf Labors in
Afghanistan hindeuteten. »Diese... Labors haben
Drogen auf russisches Hoheitsgebiet geliefert«,
so Iwanow. Russland ist seit der amerikanischen
Besetzung von Kabul ein vornehmliches
geopolitisches Ziel des Heroinflusses aus
Afghanistan. Nach Angaben der russischen
Drogenbekämpfungsbehörde fordert afghanisches
Opium Jahr für Jahr das Leben von ca. 30.000
Menschen in Russland. Insgesamt wird die Zahl
der Todesopfer durch afghanisches Heroin in den
letzten zehn Jahren auf 250.000 bis 300.000
geschätzt.
Antonio Maria Costa, der Direktor des UN-Büros
für Drogen- und Verbrechensbekämpfung,
bezeichnet die Lage im afghanischen
Drogengeschäft als »totalen Sturm, bei dem sich
Drogen- und kriminelle Aktivität mit einem
Aufstand verbinden. « Der Drogenhandel, der
jahrelang auf das Grenzgebiet zwischen
Afghanistan und Pakistan beschränkt gewesen war,
breitet sich nun über ganz Zentralasien aus. Wie
Costa warnt, wäre ohne drastisches Einschreiten
ein Großteil Eurasiens mit seinen großen
Energiereserven verloren, das Epizentrum der
Instabilität verschöbe sich von Afghanistan nach
Zentralasien. Genau das ist nun zufällig die
Strategie des Pentagon. Die scheinbar konfuse
US-Politik dient auch als Deckmantel, unter dem
die Entsendung weiterer NATO-Truppen und die
Ausweitung des Konflikts gerechtfertigt werden.
Russland schlägt vor, eine Gemeinsame
Sicherheits-Organisation in Khorog, der
Hauptstadt der Autonomen Provinz
Gorno-Badachschan in Tadschikistan,
einzurichten, von der aus eine berüchtigte
Drogenroute nach Norden verläuft. Bislang haben
sich Washington und die NATO zu diesem Vorschlag
nicht geäußert.
Zurzeit
besteht der offizielle Plan der USA darin, die
Verantwortung für die Drogenbekämpfungsmaßnahmen
der afghanischen Verwaltung zu übertragen, wobei
westliche Vertreter inoffiziell zugeben, dass
die afghanische Regierung eigentlich völlig
funktionsunfähig ist. Der Bruder des
afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, der
Gouverneur der größten Opiumprovinz Helmland,
ist laut New
York Times der Drogenboss
Afghanistans und erhält Geld von der
CIA.
Aufgrund der strategischen Lage Afghanistans
erlaubt es die militärische Präsenz der USA und
der NATO, gleichzeitig Druck auf Russland, China
und die wichtigen Ölexporteure Iran,
Saudi-Arabien, Irak sowie die Atommacht Pakistan
auszuüben. NATO-Militärstützpunkte in
Afghanistan können ohne Schwierigkeiten in eine
Kampagne gegen den Iran eingebunden werden. Der
russische Präsident Medwedew hat soeben die
russische »Strategie
zur Drogenbekämpfung bis 2020«
unterzeichnet, in der die Bildung eines
Sicherheitsgürtels um Afghanistan herum
gefordert wird, um so den Nachschub von Opiaten
aus dem Land zu stoppen. Es bestehen wenig
Chancen, dass sich die NATO oder Washington an
einer solchen Strategie beteiligen. Ihr Ziel ist
dem russischen entgegengesetzt: sie wollen die
militärische Dominanz der NATO in ganz
Zentralasien. Für Petraeus bedeutet Opium dabei
nur eine wichtige strategische Waffe. Deutsche
und andere NATO-Soldaten setzen ihr Leben aufs
Spiel oder sterben gar für den Schutz dieser
Opiumrouten.
F. William Engdahl
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