„Wir kehrten heim…“
Interview mit
dem Schriftsteller Viktor Streck
Viktor
Streck wurde 1963 in Rußland geboren. Seine Jugend
verbrachte er in der westsibirischen Stadt Omsk.
1981 zog er mit der Familie nach Kirgisien, wo er
an der staatlichen Universität Frunse (heute
Bisch-kek) Journalistik studierte und in einer
Jugendzeitung tätig war. Seit 1988 lebt er in
Deutschland. 2007 veröffentlichte er den Roman
„Heimat ist ein Paradies“.
Nachdem Viktor Streck mit der Arbeit an seinem
Roman begonnen hatte, teilte er seine
diesbezüglichen Gedanken einem bekannten
Rußlanddeutschen mit. Als dieser jedoch erfuhr,
daß der eigentliche Romanheld ein Deutscher aus
Rußland sein sollte, erschrak er und behauptete
eindringlich, daß die einheimischen Deutschen ein
solches Buch als unerhörte Frechheit empfinden
würden. Er rief ihn sogar nachts an und versuchte,
ihn von dem Vorhaben abzubringen: eine solche Idee
würde alles zunichte machen. Je länger der Autor
ihm zuhörte, desto mehr verfestigte sich bei ihm
die Überzeugung, daß er richtig handelt. Und
behielt letztendlich Recht. Mehrere Tausende
einheimische Deutsche haben das Buch bereits
gelesen. Viktor Streck vertraute uns: Die meisten
von ihnen hätten „seinen deutschen Jungen aus
Rußland“ als ihren eigenen angenommen.
Nach dem Erscheinen des Buches meldete sich die
Presse. Einige Zeitungen aus Österreich und
Deutschland veröffentlichten positive Rezensionen.
Innerhalb von zwei Wochen wurden allein in
Österreich mehrere Hundert Exemplare verkauft. Die
Bestellungen kamen sogar aus solchen Ländern wie
Argentinien, Südafrika, USA, Frankreich. Besonders
warm wurde das Buch von den Deutschen aus Rußland
begrüßt. Und das ist nicht verwunderlich. Denn
darin wurden nicht nur die heutigen Themen
angesprochen, sondern auch die tragischen
Ereignisse unserer Geschichte, die immer noch in
Erinnerung der älteren Generation lebendig sind.
Die Hauptidee des Buches von Viktor Streck besteht
darin: das Wichtigste, was alle Deutschen einigen
könnte, zu zeigen – unabhängig davon, wo sie zur
Welt gekommen sind. Der Roman wird niemanden
gleichgültig lassen und viele Diskussionen
hervorrufen. Denn darin behandelt der Autor eine
Reihe von wichtigsten Fragen der deutschen
Gesellschaft, die jeden von uns berühren. Heute
bieten wir Ihnen ein Gespräch mit dem Autor des
Romans an.
R.K.: Herr Streck, Sie schreiben über die Gewalt
in den deutschen Schulen, über das Jugendalter, in
dem die Herausbildung der Persönlichkeit
stattfindet, die begreifen möchte, wo sie
hingehört. Sie schreiben über den Lebensabschnitt
der Heranwachsenden, in dem sich die Luftschlösser
der Illusionen auflösen und an ihrer Stelle die
Leere entsteht. Inwieweit ist die deutsche
Gesellschaft Ihrer Meinung nach bereit, über die
Themen zu sprechen, die sie in Ihrem Roman
angeschnitten haben?
V.S.:
Es ist heute kein Geheimnis mehr, daß sich die
deutsche Gesellschaft im Zustand einer sehr tiefen
geistigen Krise befindet. Weder die
wirtschaftlichen Daten, noch die Versuche der
Presse, die Diskussion auf die Erörterung der
zweitrangigen Themen zu reduzieren, sind in der
Lage, die dramatische Schärfe dieser Krise zu
verbergen. Die meisten Menschen spüren, daß der
Weg, auf dem die Gesellschaft voranschreitet, uns
zwangsläufig in eine Sackgasse führen wird. Kein
Politiker würde es heute wagen, offen und ehrlich
die Frage zu beantworten, wie unsere Gesellschaft
in zehn oder sagen wir in zwanzig Jahren aussehen
wird, wenn keine grundlegenden Änderungen der
gegenwärtigen politischen Richtung stattfinden
würden. Jeder von uns trägt die Verantwortung
dafür, welche Zukunft unsere Kinder erwartet.
Würden wir die Kraft finden, diese Probleme zu
bewältigen, oder werden wir weiter so tun, als ob
nichts Schreckliches passiert? Das sind die
wichtigsten Fragen, die vor der Gesellschaft
stehen.
Wenn ich über die schwere Lage in den Berliner
Schulen lese, wo in vielen Klassen nur ein paar
deutsche Schüler geblieben sind, so kann ich sehr
bildhaft ihren seelischen Zustand nachempfinden.
Was kann ein deutscher Junge fühlen und denken,
wenn sogar die Lehrer Angst haben, ohne
Polizeischutz in die Klasse einzutreten? Man hat
diesem Jungen nicht nur die glückliche Kindheit
gestohlen. Man hat ihm die Heimat gestohlen! Seine
Familie kann man nicht mehr betrügen. Keine
beruhigenden Gesänge unserer Politiker sind
imstande, ihm die schützende Wärme zu ersetzten,
die nur im Schoße des eigenen Volkes möglich ist.
Eines Volkes, das durch das aufrichtige Gefühl der
Zusammengehörigkeit verbunden ist.
Die meisten Menschen fühlen sich betrogen. Die
Rentner - besonders die Frauen, die durch
unmenschliche Arbeit unsere Städte aus den
Trümmern wiedererbaut haben – fristen ihr
klägliches Dasein und schämen sich, von ihrer
schweren Lage zu berichten. Die Renten bleiben auf
dem gleichen Niveau, während die Preise von Tag zu
Tag in die Höhe schnellen. Ein normaler Mensch
kann die unsinnigen Behauptungen unserer Politiker
über den Nutzen und die angebliche Stabilität des
Euro nicht mehr ertragen. Man muß nun wirklich an
einem totalen Gedächtnisschwund leiden, um daran
zu glauben. Vor einigen Tagen kaufte ich in der
Bäckerei einen Leib Brot, für 3,50 EUR. Das sind
umgerechnet fast 7 DM! Eine Tasse Kaffee auf der
Autobahnraststätte kostet 2,50 EUR, also 5 DM.
Berücksichtig man die Energie- und Benzinpreise so
wird es deutlich, wie das deutsche Volk zum
Sklavenvolk der Europäischen Union geworden ist.
Das sind nur einige wenige Beispiele, deren Liste
man endlos vervollständigen könnte. Auch wenn die
Massenmedien diese Themen meiden und versuchen,
die wahren Gründe zu verschleiern, so bedeutet es
keineswegs, daß die deutsche Gesellschaft mit
allem einverstanden ist. Das Mißtrauen gegen
Fernsehen und Zeitungen wächst. Die Menschen sind
bereit, nicht nur selbständig nach den Gründen
unserer Not zu suchen, sondern sie sprechen auch
immer offener darüber. Die Gesellschaft kocht auf
allen Ebenen, und es wird wohl keinem gelingen,
diesen Prozeß aufzuhalten.
R.K.: Ist Ihr Roman „Heimat ist ein Paradies“ ein
autobiographisches Werk? Und wie nah sind Ihnen
die Gedanken Ihres Romanhelden?
V.S.:
Ich glaube, daß es jedem Schriftsteller zusteht,
in seinen Werken in einer oder anderer Weise seine
persönlichen Erfahrungen oder auch einige
autobiographischen Elemente aufzunehmen. In meinem
Fall sind es nur unbedeutende Einsprengsel. In der
ernstzunehmenden Literatur darf es keinen Platz
für die Selbstdarstellung geben. Die Grundidee des
Romans bestand darin, ein Ideal zu schaffen, auf
dessen Hintergrund die Tiefe der
gesellschaftlichen Krise deutlich zum Vorschein
kommt. Was die Weltanschauung meines Protagonisten
betrifft, kann ich ganz eindeutig sagen: fast
alles, was er denkt und sagt, ist untrennbar mit
meiner Gedankenwelt verbunden.
R.K.: Für wen ist Ihr Buch hauptsächlich
geschrieben? Für die Jungendlichen und ihre Eltern
oder für die Politiker, d. h. für jene, die
tatsächlich etwas ändern könnten?
V.S.:
Ich habe es nicht beabsichtigt, ein Buch für eine
bestimmte Lesergruppe zu schreiben. Ich weiß aber,
daß der Roman von den Mitgliedern einiger
Adelshäuser, von Politikern und Künstlern bestellt
wurde. Ich kann mit Sicherheit sagen, daß ich
versucht habe, das Buch möglichst breitem Publikum
zugänglich zu machen, besonders den Jugendlichen.
Natürlich würde ich mich freuen, wenn es den einen
oder den anderen Politiker bewegt, über die Folgen
ihrer verantwortungslosen Politik nachzudenken.
Doch es wäre naiv anzu-nehmen, daß sie sich der
gegenwärtigen Lage nicht bewußt sind. Die realen
Veränderungen sind nur dann möglich, wenn die
Machthaber den Unmut der einfachen Menschen
verspüren. Mein Buch wendet sich an die Menschen,
die die Fähigkeit zum selbständigen Denken nicht
ganz eingebüßt haben; an die Menschen, denen das
Schicksal ihrer deutschen Heimat nicht
gleichgültig ist.
R K.: Kann man zumindest sagen, daß Sie bei der
Arbeit an diesem Buch eher an die rußlanddeutschen
Leser dachten?
V.S.:
Ich teile die Deutschen ungern in Gruppen. Ich
sehe meine Aufgabe in der Suche nach dem
Wesent-lichen, was uns alle einigen könnte. Nicht
der Geburtsort und nicht die Kenntnisse der
deutschen Sprache allein entscheiden über die
Zugehörigkeit zum deutschen Volk. Und schon gar
nicht sein Personalausweis. Ich hatte mehrmals
Gelegenheit, mit den Menschen zu sprechen, die
hier in Deutschland geboren sind und über gute
Sprachkenntnisse verfügen, doch ich wäre nie auf
den Gedanken gekommen, sie als Deutsche zu
bezeichnen. Andererseits habe ich viele Deutsche
aus Rußland gesehen, die zwar nicht so gut Deutsch
sprechen, deren Herzen jedoch für unsere deutsche
Heimat buchstäblich glühen. Vor kurzem las ich
Gedichte des rußlanddeutschen Dichters Viktor
Schaaf. Die Schönheit und die Tiefe seiner
Gedichte lassen sich nur mit den Werken großer
Dichter vergleichen. Sie sind in russischer
Sprache abgefaßt, doch wieviel Schmerz für unsere
deutsche Heimat finden wir darin, wie deutlich
kommt in ihnen die helle Hoffnung auf die
glückliche Zukunft unseres Volkes hervor!
Ich habe mein Buch für alle Deutschen geschrieben.
Mehr noch: Probleme, die ich darin hervorhebe,
stehen heute vor jedem europäischen Volk.
R.K.: In Ihrem Roman trifft man sehr oft
Überlegungen zum Begriff Heimat. Das ist kein
einfaches Thema für unsere Landsleute. Ist es
Ihnen gelungen, ihnen zu helfen die Antwort auf
diese Fragen zu finden? Haben Sie sich diese
Aufgabe grundsätzlich gestellt?
V.S.:
Selbstverständlich! Obwohl das Buch für den
breiten Leserkreis geschrieben wurde, wendet es
sich auch an meine lieben Landsleute. Ihnen zu
helfen, die Antwort auf scheinbar einfache Fragen
zu finden: Wer sind wir? Welche Lebensziele haben
wir? – das alles sind Kernbereiche meines Buches.
In jedem von uns lodert die unüberwindliche
Sehnsucht nach jener Heimat, wo jeder von uns sich
als Teil einer großen Familie fühlen könnte, wo
die alltägliche Arbeit nicht allein dem
Lebensunterhalt dient, sondern ein Gefühl der
Mitwirkung an etwas Größerem hervorrufen würde.
Ohne dies kann keine Rede von Kultur sein. Nicht
nur die Deutschen aus Rußland, sondern auch die
einheimischen Deutschen versuchen das
verlorengegangene Paradies zurückzugewinnen. Denn
nichts kann einem Menschen die Heimat ersetzen.
Auch nicht der Wohlstand. Ohne Heimat kann ein
Mensch nicht glücklich werden. Glück bedeutet –
sich über ihre Erfolge freuen zu dürfen, stolz auf
sie zu sein und zusammen mit ihr zu leiden – dies
alles ist eben jenes Paradies, für dessen
Verwirklichung die besten Söhne unseres Volkes
immer bereit waren, jeden Preis zu zahlen. Heimat
ist die Zielrichtung aller Hoffungen.
Natürlich fördert unsere Wirklichkeit nicht gerade
solche Gefühle. Uns werden die utopischen
Vorstellungen von einer Gesellschaft heimatloser,
völlig entwurzelter Verbraucher aufgezwungen, die
nur über ihr persönliches Wohlergehen bemüht sind.
Unter solchen Umständen sich selbst zu finden,
erscheint sehr schwierig vor allem für die
Deutschen aus Rußland. Viele von ihnen
verschließen sich angesichts der Vorwürfe und
Ungerechtigkeiten und ziehen eine verhängnisvolle
Trennlinie zwischen „uns“ und „ihnen“, den
Einheimischen. Dieser Weg ist falsch. Eine der
wichtigsten Aufgaben meines Buches besteht darin,
die gegenseitigen Kränkungen zu überwinden; das
Wichtige aus den Augen nicht zu verlieren.
R.K.: Jeder Mensch handelt sehr oft nicht weil er
ein Einheimischer oder ein Deutscher aus Rußland
ist, sondern weil man irgendwohin gehen muß. Man
befindet sich in der Dynamik seiner Gefühle und
Wünsche, strebt zu einem bestimmten Ziel. In den
meisten Fällen wird dieses Ziel von der
Gesellschaft vorgegeben. Man kann sein ganzes
Leben ein Ziel verfolgen, das für mich als Mensch
eigentlich gar nicht so wichtig ist. Die
Gesellschaft hat mir aber eingeredet, es sei doch
wichtig! Ist der Gegensatz zwischen Gesellschaft
und dem Einzelnen Ihrer Meinung nach positiv zu
bewerten? Und wer ist Ihr Romanheld – ein Retter,
ein Erlöser?
V.S.:
Mein Protagonist ist ein Mensch, der nach Wahrheit
strebt, der sich nicht danach ausrichtet, was ihm
die öffentliche Meinung aufzwingt. Er lebt in
Übereinstimmung mit seinem Gewissen. Nicht er ist
ein Retter und Erlöser, sondern die Idee, die in
seinem Herzen brennt. Sie ist nicht neu. Wir haben
einfach vergessen, wie ein Mensch aussieht, der
sagt was er denkt und tut, was er für richtig
hält. Daß man für ein derartiges Verhalten nicht
selten einen hohen Preis zahlen muß, sollte selbst
einem Kind klar sein. Doch die Menschen
übertreiben oft in der Einschätzung der möglichen
Folgen einer solchen Lebenseinstellung. In den
meisten Fällen nur um ihre eigene Tatenlosigkeit
zu entschuldigen. Sehr oft hört man den banalen
Satz: „Leider kann man in Deutschland darüber
nicht reden!“ Neulich sprach ich mit einem
Professor. Er ist bereits weit über achtzig. Ein
Alter, in dem die Angst vor möglichen Konsequenzen
scheinbar in den Hintergrund treten sollte. Aber
nein! Auch er wiederholt immer wieder das Gleiche:
man darf in Deutschland darüber nicht sprechen,
auf keinen Fall! Schließlich beendete er das
Gespräch mit dem Vorschlag, dieses Thema am
Telefon nicht mehr zu erörtern. Der zweite
Professor, übrigens ein Rußlanddeutscher, erklärte
mir nach dem Lesen des Buches, daß es bald
verboten würde. Sobald die zuständigen Behörden
von diesem Buch erfahren, würden sie es verbieten!
Ich bin davon überzeugt, daß diese Äußerungen
nichts anderes als Folgen der uns aufgezwungenen
Selbstzensur sind, die sich tief in unser
Bewußtsein eingefressen hat. Sie zu über-winden,
sich selbst zu einer freien Persönlichkeit werden
zu lassen – ist die Aufgabe jedes einzelnen
Menschen. Wenn eine solche Lebenseinstellung den
Widerstand der Gesellschaft hervorruft, so ist
diese Gesellschaft krank. Man muß sie heilen und
reformieren. Die Rolle des Einzelnen in diesem
Prozeß ist ohne Zweifel sehr groß.
K.N.: Wird es die Fortsetzung des Romans geben?
V.S.:
Ja. Das erste Buch ist nur die Vorgeschichte, die
erste Bekanntschaft mit meinen Romanhelden. Hier
finden sie einander, überwinden die ersten
Schwierig-keiten. Die eigentlichen Ereignisse und
die Konfron-tation mit der Realität unserer
Gesellschaft werden im zweiten Teil stattfinden.
(Interview führte Nadeshda Runde)
Mein Traum
Aus dem
Buch: „Heimat ist ein Paradies“ von Viktor Streck
Mein Traum. Er ist so schön wie unerreichbar. Ich
weiß ja nicht einmal, ob ich ihn mehr am
hellichten Tage oder in meinen schlaflosen Nächten
träume. Er ist immer da, er durchdringt mein
ganzes Wesen. Er schlummert in meiner Brust und in
den Augenblicken der Ruhe, wo die alltäglichen
Sorgen zurücktreten und mich von ihrer Last
befreien, steigt er aus der Tiefe meiner Seele und
be-zaubert mich wie die Klänge einer
sehnsuchtsvollen Musik immer wieder aufs neue. Er
erhebt sich wie die Sonne über meine Zweifel und
erfüllt meine Welt mit dem hellen Licht einer
neuen Hoffnung.
Ich sehe meine Heimat, meine
geliebte deutsche Heimat am frühen Morgen im
stillen Glück und im innigsten Frieden.
Ich sehe Kirchtürme in den ersten Sonnenstrahlen
leuchten. Ich sehe die von fleißigen Händen
bestellten Felder und in allem erkenne ich den mir
vertrauten Ordnungssinn meines Volkes - den
lebendigen Ausdruck seiner immerwährenden
Heimatliebe, seiner innigsten Träume! Ich schaue
auf dieses Glück und kann meine Tränen nicht mehr
zurückhalten. Eine tiefe Erkenntnis erfüllt mein
Wesen. Eine Gewißheit, daß dieser Traum mein Leben
wert ist. Und wird es eingefordert, so bin ich
bereit. Bedingungslos bereit! Auch wenn ich weiß,
daß damit nur ein winziger Bruchteil davon bezahlt
werden könnte.
Ich hoffe es, ich weiß es: Ich bin nicht allein!
Mit allen Sinnen spüre ich die Gegenwart
verwandter Seelen. Ich nehme ihre Sehnsucht, die
gleiche Sehnsucht so deutlich wahr! Ich erkenne
ihren leisen Schimmer in den Augen der Menschen,
die an mir vorübergehen...
In
meinen Träumen habe ich Worte gefunden, um meine
Welt zu erklären! Ich spreche zu den deutschen
Menschen, und sie verstehen mich und die Hoffnung
entzündet ihre Herzen mit neuer Kraft.
In
meinen Träumen...
Und wenn ich manchmal in der nächtlichen
Abgeschiedenheit die Augen niederschlage, so höre
ich die vertrauten Lieder aus längst verhallten
Zeiten. Ich tauche in die Vergangenheit meines
Volkes ein, in meine Vergangenheit! Ich
durchdringe Jahrhunderte und Jahrtausende, und
alles, alles fließt in meine Seele wie ein
mächtiger Strom des Schicksalhaften. Ich sehe
Menschen vom gleichen Blut, deren Teil ich selbst
bin. Ich lebe mit ihnen. Ich leide und sterbe mit
jedem von ihnen, um am nächsten Morgen wieder
geboren zu werden und zu wissen: Ich bin mit ihnen
eins, und keine Macht vermag es, mein Leben von
ihrem Schicksal zu trennen.
Mein Volk, mein leidgeprüftes Volk lebt in meinen
Träumen sein verdientes Glück. Lebt nach seinem
Sinn, so wie es je geträumt hat.
In
meinem Traum sind die Gassen unserer lieblichen
Dörfer und Städte wieder mit Leben gefüllt. Mit
Lachen und fröhlichem Lärm spielender Kinder... In
meinem Traum sind wir wieder eins. Trotz unserer
Sorgen, trotz unseres belanglosen Streits sind wir
von einem tief empfundenen Gefühl der
Gottgegebenen Verwandtschaft beseelt! Wir sind
wieder eine lebendige Schicksalsgemeinschaft! Sie
umfaßt nicht nur die Lebenden, sondern auch unsere
Vorfahren, denen gegenüber wir nicht als Richter
auftreten, sondern uns vor ihnen in Ehrfurcht
verneigen. Ich sehe Menschen, die nicht vom Glanz
der Wolkenkratzer geblendet sind, sondern
Menschen, denen unsere verschlungenen Gassen mit
alten Fachwerkhäusern ans Herz gewachsen sind!
Menschen, die vor der mystischen Erhabenheit
unserer Burgen und Schlösser erschaudern. In
meinem Traum haben geschriebene Gesetze keine
große Bedeutung. Die Sittlichkeit lebt in der
Tiefe der menschlichen Seele und wird von Staat
und Kirche gestützt.
In
meinem Traum fühlen sich sittliche Menschen nicht
mehr bedrängt. Sie werden nicht von zügelloser
Zurschaustellung alles Niederträchtigen in die
Enge getrieben. Sie sind nicht auf der Flucht, sie
sind wieder geachtet und nicht verpönt.
In
meinen Träumen wachsen unsere Kinder in stiller
vertrauter Umgebung ihrer Familien auf. Nicht mit
draufhauenden, brüllenden Aliens und Pokémons,
sondern mit unseren schönen Märchen. In meinen
Träumen hat unser christlicher Glaube wieder Platz
in unseren Schulen. Er ist wieder Mittelpunkt
unseres Lebens und Grundlage unserer Sittlichkeit
Vor ihm verbeugt sich die Wissenschaft, und die
Achtung vor dem Allmächtigen und Seiner Schöpfung
zwingt sie zur Mäßigung und zur Aufgabe jeglicher
Versuche am menschlichen Genom.
In
meinen Träumen ist Liebe wieder etwas Großes,
worauf zu warten und zu hoffen sich wirklich
lohnt. In meinen Träumen ist die sexuelle
Beziehung von Mann und Frau nicht die Befriedigung
des immerwährenden Verlangens, sondern der
Gottgewollte Höhepunkt der wahren Liebe, die uns
mit Kindern segnet.
In
meinen Träumen schätzt jeder Mensch das Glück, in
seiner Heimat leben zu dürfen, inmitten der
Menschen, die seine Sprache sprechen, seine Seele
als ihre erkennen...
In
meinen Träumen ist Europa wieder das christliche
Abendland, ein friedlicher Staatenbund freier
Völker und nicht ein Gemisch der völlig
entwurzelten Verbraucher Ich wünsche von Herzen
jedem Volk die gleichen friedlichen Träume! Ich
wünsche es jedem Menschen in jedem Winkel unserer
Erde.
In
meinen Träumen hat mein gutes Volk das Glück, ein
Volk zu bleiben. Es hat wieder zu sich gefunden
und schämt sich dessen nicht.
Dieser Traum flammte in meiner Seele in frühester
Jugend auf als die Hoffnung, die Heimat je in
meinem Leben sehen zu dürfen, am geringsten war.
Er erwachte von selbst, ohne daß ich sagen könnte,
wann er von mir Besitz ergriffen hatte, und mit
diesem Traum werde ich von dieser Welt scheiden.
In der Hoffnung, daß diese Träume auch meine
Kinder träumen werden. Diese Träume kommen aus der
Tiefe meiner Seele und können nicht von mir
weichen. Sie sind ein Teil von mir - die Träume
von meiner Heimat.
Vielleicht kommen sie aus dem Jenseits. vielleicht
wird mein Volk, wenn nicht auf dieser Welt, dann
doch woanders vom Allmächtigen für seine Güte
belohnt. Doch in meinen Träumen werden wir auch
hier wieder Kraft finden, unser Leben neu zu
gestalten.
In
meinen Träumen bin ich nicht allein!
In
meinen Träumen...
Viktor Streck: „Heimat ist ein Paradies“
ISBN 978-3-00-020745-7
das Buch ist erhältlich bei:
Alemannia Media Verlag, Tel.: 05202/92-49-70
VIDEO:
Deutschland mein lied an dich
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