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  Interview

 

„Die Alliierten haben sich keinen Gefallen getan“

Im Mai 1941 flog Rudolf Heß nach England – die DS sprach mit dem Historiker Dr. Olaf Rose

Frage: Herr Dr. Rose, Sie sind wie kaum ein anderer Historiker in Deutschland mit dem »Fall Heß« vertraut. Warum ist der Fall für Sie noch heute so interessant?

Rose: Das Interesse am Fall Heß erlahmt aus einem ganzen Bündel von Gründen nicht, es nimmt – im Gegenteil, so meine ich wahrzunehmen – eher noch zu. Es ist zum einen die Persönlichkeit des Mannes und die Ausstrahlung, die positiv rüberkommt, auch wenn das perennierende Guido-Knopp-TV ihn uns mit den 10 brüllenden Sekunden auf dem Nürnberger Reichsparteitag als Fanatiker in Erinnerung rufen möchte. Heß war als Minister und Parteigröße beliebt, weil er bescheiden, um Ausgleich bemüht, immer und für jeden ansprechbar und sportlich schlank – also sichtlich nicht verbonzt – war. Auch im Ausland galt er als „gemäßigter“ Nationalsozialist und als Mann internationaler Verständigung.

Dann ist das scheinbare Mysterium des Englandfluges ein spekulativer Dauerbrenner (gewesen), denn von Martin Allen wurden 2003 alle Rätsel gelöst.

Der dritte Grund dürfte zweifelsohne das Schicksal des Mannes sein, der sein Leben für einen umfassenden europäischen Frieden einsetzte und dafür 46 Jahre, davon 20 in Einzelhaft, verbringen mußte. Selbst viele eingefleischte »Demokraten« im In- und Ausland erschüttert das Ausmaß dieser alliierten Perfidie und menschlichen Tragödie.

Und nicht zuletzt die Umstände seines Todes zeigen, daß es dumm ist, aus politischen Gegnern einen Märtyrer zu machen. Und der Gipfel an politischer Einsichtslosigkeit ist dann erreicht, wenn die Staatsmacht das Gedenken an einen tapferen Mann juristisch zu unterbinden trachtet. Wie heißt es bei Wolf Biermann in einem Lied so schön: »Was verboten ist, daß macht uns gerade scharf.« Und scharf macht einen Historiker ein Fall gerade dann, wenn er um gesperrte Akten weiß, an die er nicht herankommt. Niemand sperrt Akten, die ihn entlasten, das sagt mir meine Erfahrung als Archivar!

Frage: Der Fall Heß spiegelt ja auch die Situation der Forschungs- und Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik wider. War das für Sie als Historiker, der heute bei der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag arbeitet, so eine Art Erweckungserlebnis?

Rose: In den realen Fußstricken der proklamierten Meinungsfreiheit habe ich mich bereits gegen Ende meiner Uni-Zeit verfangen, nationale Geschichtsschreibung begann ich aber erst als Mitdreißiger. Mit dem Fall Heß selbst habe ich mich näher 2003 bei der Übersetzung von »Churchills Friedensfalle« von Martin Allen befaßt, und als kurz nach meiner Entfernung aus dem Öffentlichen Dienst dann das Angebot an mich herangetragen wurde, an dem Fernsehfilm Geheimakte Heß als Autor mitzuwirken.

Selbst da noch, also 2004, habe ich nicht für möglich gehalten, mit welchen Repressalien die Autoren und Zeitzeugen in der Folgezeit zu kämpfen haben würden. Man ist eben doch erstaunt, daß belegte Tatsachenbehauptungen als Verherrlichung ausgelegt werden. In der Folgezeit, als ich dann in ganz Deutschland zu Vorträgen über Heß eingeladen wurde, habe ich erst begriffen, welchen Stellenwert dieser Mann und sein Schicksal für die nationalen und patriotischen Kräfte in Deutschland, ja in ganz Europa haben. Erweckungserlebnis ginge also vielleicht ein wenig zu weit, aber Aufweckungserlebnis, was in diesem Lande los ist, das bestimmt.

Frage: Was ist denn der aktuelle Stand unseres Wissens über Heß´ Englandflug 1941 – wußte Hitler nun davon? Und was hätte Heß den Engländern anbieten können?

Rose: Zunächst einmal: Heß war am 10. Mai 1941 nicht zum ersten Mal zu britischen Verhandlungspartnern unterwegs, sondern er flog bereits im Juli 1940 nach Portugal, im September nach Spanien, im November in die Schweiz usw. Im Gepäck hatte er einen Sieben-Punkte Plan, demzufolge die Deutschen alle besetzten Staaten Europas – also auch den mehrheitlich von Polen bewohnten Teil Polens – geräumt und die Kriegsschäden in Westeuropa beglichen hätten, obgleich das Deutsche Reich der Angegriffene war. Außerdem wollte man die Zerstörung der meisten Angriffswaffen auf allen Seiten, Rüstungskontrolle sowie einen Frieden auf 50 Jahre abschließen, die Wirtschaftsbeziehungen stärken und eine Art Vorläufer europäischer Zusammenarbeit auf der Basis nationaler Souveränität, denn man fühlte das »alte Europa« von den ideologisch hoch aufgeladenen und aggressiven Flügelmächten USA und UdSSR bedroht.

In einer eidesstattlichen Versicherung, die Heß im März 1946 seinem Verteidiger Dr. Seidl, dem späteren bayerischen Innenminister überreichte, stellte er dar, welche Friedensbedingungen er dem britischen Lordkanzler Simon am 9. Juni 1941 mitgeteilt hatte, und daß die Vorschläge auf dem beruhten, was er mit Hitler besprochen habe.

Der tunesische Krankenpfleger Abdallah Melaouhi fragte Heß kurz vor seinem Tode, ob er mit Wissen Hitlers geflogen sei. Heß antwortete: »Sie sind Krankenpfleger. Wenn Sie einen Patienten im OP für einen chirurgischen Eingriff vorbereiten, sprechen Sie sich dann zuvor mit dem Arzt ab oder fangen Sie einfach so an? Sehen Sie!« Diese Antwort läßt keine Zweideutigkeit zu. Aber er wußte nicht, warum die Briten nicht friedensbereit waren. Auf eine diesbezügliche Frage des muslimischen Pflegers, warum sein Flug kein Erfolg war, erwiderte Heß: »Ich weiß es nicht. Frag deinen Gott.«

Frage: Woher, glauben Sie, rührt das eher noch wachsende Interesse insbesondere jüngerer Deutscher an Rudolf Heß?

Rose: Nicht nur in Deutschland. Ich habe vor einigen Wochen einen Vortrag über Heß in Norditalien gehalten, zu dem mehr als 100 Gäste kamen – jung und alt. Die Empörung über die Behandlung und die Sympathie, ja man kann fast sagen die Verehrung, die Heß entgegengebracht wird, ist europäisch. Und wenn diese Gefühle nicht rückwärtsgewandt sind, sondern mit Blick auf die Zukunft, dann kann ich mir wahrlich schlechtere Vorbilder und Idole vorstellen.

Kraft tankt man an Beispielen. Heß scheint so eines zu sein. Die Alliierten haben sich mit seiner Behandlung und mit seinem grauenhaften Ende keinen Gefallen getan. Heß selbst wollte nicht als Märtyrer enden, sondern als freier, rehabilitierter Mann im Fichtelgebirge. Einen guten Teil der angeblichen Glorifizierung haben sich die Täter also selbst zuzuschreiben.

Herr Rose, herzlichen Dank für dieses Gepräch!

Das Gespräch mit Dr. Olaf Rose führte DS-Chefredakteur Karl Richter.

 

 
 

  
  

 

 

  

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