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 Die National-Konservative Bewegung der Deutschen aus Russland

      NATO STOP!

   Freiheit für Deutschland und Europa!

Die Rolle der Bundeswehr und der NATO im Kosovo-Krieg als Beispiel für gutmenschliche Entschlossenheit zur Schaffung einer neuen Weltordnung. Eine Grundsatzrede

Deutsche Soldaten als Staatsbürger in Uniform erheben den Anspruch, nur dann eingesetzt zu werden, wenn die Politik realisierbare Konzepte einer künftigen Friedensordnung entwickelt sowie Ziele und Zwecke des Einsatzes zweifelsfrei definiert hat. (Aus dem 8. Leitsatz des Deutschen Bundeswehrverbandes)

Alles geht - vorbei

»Holt unsere Jungs zurück!« - mit dieser eher populistischen Parole biederte sich während des ersten Golfkrieges im Januar '91 der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder an. Er nannte die Verlegung eines Luftwaffenverbandes der Bundeswehr in die Türkei - dieser sollte die USA bei der Überwachung des Luftraumes unterstützen - einen »politischen Fehler«. In einer Landtagsdebatte äußerte Schröder damals Verständnis für jugendliche Kriegsgegner, die auf die Straße gingen, »weil sie fürchten, am Golf könne ihre Zukunft verspielt werden«.

Seither hat sich vieles getan. Nicht nur Schröder, auch die Aufgabenbereiche der Bundeswehr haben sich seit Beginn der neunziger Jahre drastisch verändert. Dieser Wandlungsprozeß ist bereits so weit fortgeschritten, daß Schröder - inzwischen Bundeskanzler - im Frühjahr '99 - ohne dafür die gesetzliche Grundlage zu haben! - sogar Truppenteile der Bundeswehr in einen Krieg schicken konnte und daß kein auch nur im entferntesten mit den Vietnam-Demonstrationen der sechziger und siebziger Jahre oder den späteren Anti-Nachrüstungsbeschluß-Aufmärschen vergleichbarer Sturm der Entrüstung durch die Berliner Republik gefegt wäre. Wer hätte auch schon zum Sturm blasen sollen? Sitzen viele der Pazifisten, Aussteiger und Berufsdemonstranten von damals heute in bequemen Regierungssesseln. Daß das deutsche Volk apathisch still hielt, hebt einmal mehr den durchschlagenden Erfolg der auf hedonistischem Individualismus und geschürten Schuldgefühlen beruhenden Volkspädagogik hervor. Das Resultat dieser Erziehungskomponenten spiegelt sich nicht zuletzt darin wieder, daß zehn Jahre nach dem Mauerfall auch der »Krieg« eine Wandlung erfahren hat: Vom Inbegriff des apokalyptischen Grauens ist er zur allgemein gerechtfertigten, ja notwendigen Option politischen Handelns mutiert.

Aalglatt

Laut einer dpa-Meldung vom 10.11.98 nutzte Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) seinen ersten Besuch bei der Truppe zu einem Bekenntnis der besonderen Art: Die Bundeswehr müsse fit werden für jede Art von »NATO-Friedenseinsätzen« im Ausland. Und das pikanterweise, obwohl in Scharpings Parteiprogramm stand, daß das globale Gewaltmonopol zur Sicherung des Weltfriedens ausschließlich bei den Vereinten Nationen liege. Vor dem Heeresführungskommando in Koblenz erläuterte der künftige Kriegsminister konkret die angestrebte »wachsende Teilnahme an internationalen Friedensmissionen«, woraufhin sich Generalleutnant Rüdiger Drews ereiferte: »Was jetzt möglicherweise auf uns zukommt ist ein Auftrag, den wir durchführen können - aus dem Stand.« Kein Wunder, daß Scharping, der als Wehrpflichtiger nach nur sechsmonatiger Dienstzeit ausgemustert werden mußte, da seine Brille nicht über die ABC-Schutzmaske paßte, mit so viel militärischem Einfühlungsvermögen gleich zu Beginn seiner Amtsperiode bei den ranghöchsten »Staatsbürgern in Uniform« einen Stein im Brett hatte. Vergessen, daß er 1981 als 34jähriger SPD-Fraktionsvorsitzende in Mainz im Bonner Hofgarten lautstark gegen US-amerikanische Raketen auf deutschem Boden demonstriert hatte. Vergessen freilich auch, daß er noch wenige Monate vor Amtsantritt die Wehrpflicht in Frage stellte. Scharping konnte mit seinem Debüt zufrieden sein: »Es macht Spaß.« - was in der bundesdeutschen G'sellschaft mittlerweile den Rang eines Grundrechts erklommen zu haben scheint, gewiß aber bezeichnende Dimensionen angenommen hat.

Diese ebenso dekadente wie fatale Erscheinungsform gab die rechtsintellektuelle Monatszeitschrift NATION & EUROPA mit der Beschreibung eines vorweihnachtlichen Stimmungsabends '98 in plastischen Worten wieder: »Am Schluß: Gruppenaufmarsch der beteiligten Künstler. Die Kapelle dreht noch einmal auf. Alles lacht, winkt und schunkelt. Moderator Dieter Thomas Heck, aufgekratzt wie eh und je, ruft donnernd in den Abspann: 'Bleiben Sie dran! Es folgt unsere Sondersendung Bomben auf Bagdad!' Beifall, Jubel. Keine Schrecksekunde, keine Anstandspause, keine Spur von Betroffenheit. Übergangslos wird umgeschaltet. The Show must go on. Nicht einmal das Grinsen verschwindet aus den Gesichtern. Warum auch?«

Natürlich hatte man selbst eine reine Weste, schließlich habe »die westliche Wertgemeinschaft« sich über Jahre hinweg um eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts ernsthaft, aber leider erfolglos bemüht. Deshalb bleibe der NATO als einzig realistische Option jetzt nur noch der militärische Angriff, um eine »humanitäre Katastrophe« zu verhindern. Dies erwies sich jedoch rasch als Lüge. Der Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer (von 1988 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium) hatte Anfang des Jahres mehrfach öffentlich vorgeworfen, »Regierungen wichtiger NATO-Staaten wie Großbritannien und USA hätten bewußt in den letzten Jahren auf ein militärisches Eingreifen der NATO in Kosovo hingearbeitet und eine nicht-militärische Konfliktlösung letztlich hintertrieben«.

Davon abgesehen beinhaltet die leichtfertige Aussage, kein anderer Weg stünde mehr offen, ungeheure zivile Folgen. »Wenn die politisch, wirtschaftlich und militärisch stärkste Koalition der Welt, die USA und die NATO-Staaten, angesichts des im Weltmaßstab relativ geringfügigen Kosovo-Problems erklären, es gäbe keine Alternative zum gröbsten aller Mittel: dem kriegerischen Überfall auf ein anderes Land unter Bruch geltender Gesetze, dann ist jeder Schlag in die Fresse bei einem Kneipenstreit, in der Ehe, zwischen Fan-Gruppen, zwischen politischen Meinungsgegnern, unter Schülern und wo immer man will das erlaubte Mittel, zu dem es 'keine Alternative' gibt, wenn der Verhandlungswille, wenn der Redewille bei einer der beteiligten Parteien versiegt.«

Den Weg der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zum direkten Hilfswilligen US-amerikanischer Aggressionspolitik hatte bereits die Kohl-Regierung vorgeebnet: Die rechtliche Grundlage für sogenannte Out-of-area-Kampfeinsätze der Bundeswehr, also solche, die außerhalb des Gebietes der EU bzw. der NATO liegen, bildet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli '94. Demnach wurden militärische Kampfeinsätze der Bundeswehr im Rahmen von NATO, WEU und UNO zulässig, wenn der Bundestag mit einfacher Mehrheit zustimmt. Damit war durch Gesetz der Weg für direkte militärische Konfrontation in globalem Umfang geebnet. Damit war man nicht mehr darauf beschränkt, wie noch 1989/90 in Südwestafrika, als deutsches VN-Kontingent »nur« Truppen des Bundesgrenzschutzes entrichten zu dürfen.

Ausprobiert wurde die neue »Freiheit« 1995 auf dem Kriegsschauplatz in Bosnien: In der Diskussion um einen möglichen Abzug der UNPROFOR-Schutztruppen (Blauhelme) aus Bosnien bot die Bundesregierung der NATO im Februar '95 die Entsendung von 1870 Bundeswehrsoldaten zur Sicherung des Abzugs an, obgleich bis Ende '94 für die Bundesregierung feststand, keine deutschen Soldaten in Gebiete zu entsenden, »in denen die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg Verbrechen« begangen hatte. Noch am 28.5.95 erklärte Verteidigungsminister Volker Rühe: »Wir werden nicht verwickelt werden in die jetzigen Prozesse in Jugoslawien.« Papier ist freilich geduldig. Auch die bis dahin eingeschlagene Linie der SPD, keinen Kampfeinsätzen der Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsgebiets zuzustimmen, geriet in Windeseile ins Wanken. Am 29.5.95 erklärte der Bundestagsabgeordnete und »Verteidigungsexperte« Dieter Heistermann, die Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion werde für die von der Regierung geplante Entsendung von Bundeswehreinheiten zur Sicherung des VN-Truppenabzugs stimmen, was tags drauf auch in die Tat umgesetzt wurde. Damit war endgültig eine der letzten Beschränkungen für weltweite Bundeswehreinsätze durchbrochen; daran änderten auch die hohlen Worte der stellvertretenden Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und Heidemarie Wiezcoreck-Zeul nichts mehr: »Wenn Rühe versuchen sollte, die Bundeswehr in militärische Abenteuer zu ziehen, wird er auf den harten Widerstand der SPD stoßen.« Wie hart der tatsächlich war, ist uns inzwischen ja in beeindruckenderweise vor Augen geführt worden.

1998 war der zweite Krieg gegen den Irak längst vorprogrammiert. Das Land gehörte vor dem ersten »humanitären Einsatz« der Amerikaner und Briten 1991 mit einem vorbildlichen Bildungs- und Gesundheitswesen zu den fortschrittlichsten Staaten der arabischen Hemisphäre. Während und nach der ersten gutmenschlichen Friedensmission und den danach einsetzenden Sanktionen und Blockaden starben etwa 800.000 irakische Menschen, darunter 320.000 Kinder unter 5 Jahren. Das Land wurde in seiner gesamten demographischen, infrastrukturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen - wie dies US-Außenminister James Baker seinem irakischen Amtskollegen Tariq Aziz vor dem Bombardement auch angedroht hatte: »Wir werden Sie in das vorindustrielle Zeitalter zurückbomben!« Und alles um der lieben »Menschenrechte« willen?

Anstatt sich an die skandalträchtige USA zu wenden, riefen '98 in vielen Teilen der Welt Politiker den irakischen Präsidenten Saddam Hussein »zum Einlenken« auf. So appellierte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder »mit großem Ernst« an die Bagdader Führung, die VN-Resolutionen zu erfüllen und die Kooperation mit den Abrüstungsinspektoren der Vereinten Nationen wiederaufzunehmen. Der Wahrheit entspricht jedoch, daß vom Irak (zumindest zu diesem Zeitpunkt) keine aktuelle militärische Bedrohung für die Nachbarstaaten (einschließlich Israels) ausging und das irakische Potential an Massenvernichtungswaffen - den Untersuchungen der beauftragten VN-Inspektoren zufolge - weitgehend zerstört worden und die Möglichkeit der Verschleierung gering sei. Daraufhin drängte Washington, den Bericht der Inspektoren zu ändern. Warum? Brent Scowcroft, nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Bush, sagte bezüglich des ersten Irak-Krieges im BBC, »daß der wahre Grund für den Krieg natürlich das Öl gewesen sei«. Hieran hat sich bis heute nichts grundlegendes geändert, und dies gilt für das Kosovo ebenso: Wer weiß schon, daß das Amselfeld mit seinen Bodenschätzen zu den reichsten Gebieten Europas gehört? Neben enormen Blei- und Zinkvorkommen sind es vor allem riesige Erdgasvorkommen, schier unerschöpfliche Erdölresourcen und das größte Steinkohlenlager in Europa, die für die »Friedensmissionare« selbstverständlich nur von zweitrangiger Bedeutung sind. Seit dem 24.3.99 befand sich die BRD unter einer rotgrünen Koalition im Krieg mit einem europäischen Nachbarn. Nicht etwa Entsetzen oder wenigstens schamhafte Zurückhaltung traten in der Medienwelt vorrangig in Erscheinung, sondern im Gegenteil, die abenteuerlichsten Interpretationen und Äußerungen bestimmten die »Nachrichten«. Nach Auffassung von Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa habe die EU mit dem militärischen Vorgehen gegen Jugoslawien gar ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Mit vollem Ernst meinte Schröder am 26.3.99 vor dem Bundestag: »Das Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte im Kosovo zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe dort zu verhindern.« Abgesehen davon, daß schon dieser Wortgebrauch Mumpitz ist, da es eine humanitäre Katastrophe (im Gegensatz zu humanitären Gründen, eine Katastrophe zu verhindern) nicht gibt, gilt das englische Sprichwort: Fighting for peace is like fucking for virginity. Für die Gutmenschen war selbstredend klar, wer der wahre Bösewicht ist: Slobodan Milosevic trage die Verantwortung für die entstandene Lage. In die gleiche Kerbe schlug der ehemalige Pornoübersetzer und heutige Außenminister Joschka Fischer, der den NATO-Angriff und die Beteiligung Deutschlands besonders verteidigte - freilich unbeeindruckt von der Tatsache, daß zum gleichen Zeitpunkt in seinem Parteiprogramm das Bekenntnis stand: »Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab.« (Ob mit ihrer Kriegsteilnahme die Grünen ihre Wähler betrogen hätten? Nein, nein! Bundesumweltminister Jürgen Trittin legte diesbezüglich gegenüber der BILD-ZEITUNG ein geradezu entwaffnendes Bekenntnis ab: »Wir halten das nach wie vor für das falsche Mittel. Aber es gibt Situationen, wo man Dinge tun muß, die man eigentlich ablehnt.« ) »Die Kosovo-Krise«, so Fischer, »sei eine Krise in Europa und müsse von Europa gelöst werden. 'Wir dürfen uns nicht wegdrehen', sagte Fischer. Die Bundesregierung habe wirklich alles versucht, den Krieg zu vermeiden. (...) 'Die Verantwortung liegt allein bei Milosevic.'« Die WELT AM SONNTAG entblödete sich nicht vor diesem Hintergrund zu fragen, ob die Regierung über Nacht erwachsen geworden sei.

Dr. Alfred Mechtersheimer, Friedensforscher und Vorsitzender der Deutschland-Bewegung, bemerkte in einem Interview mit dem österreichischen Magazin AULA im April 1999 zu Recht: »Vor allem empört, daß der Einsatz der Bundeswehr von außen diktiert wird. Die oberste deutsche Staatsräson heißt nach wie vor Bündnistreue. Mit dem NATO-Krieg gegen Serbien will die US-Regierung auch die Deutschen und Europäer disziplinieren. Washington gibt den Ton an und die rot-grüne Regierung in Bonn gehorcht, besser noch als ihre Vorgängerin.« In dieselbe Kerbe schlug auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, der gegenüber einer Schweizer Wochenzeitung eingestand: »Gegängelt von den USA, haben wir das internationale Recht und die Charta der Vereinten Nationen mißachtet.«

Verstöße gegen nationales und internationales Völker- und Verfassungsrecht

Es ist nicht Absicht meiner Rede die Frage der Kriegsschuld oder die der Verantwortung an den Geschehnissen in und um Serbien eingehend darzulegen. Wohl aber sollten wesentliche juristische und politische Aspekte untersucht werden, die Rückschlüsse auf die tatsächlichen Begebenheiten zulassen - die im Propagandaapparat verschwiegen oder entstellt werden. Wir wollen im folgenden deshalb darlegen, warum dieser Krieg völkerrechtswidrig war.

Im März '99 meinte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes (DBwV) Oberst Bernhard Gertz, zur völker- und verfassungsrechtlichen Legitimation eines Kampfeinsatzes von Bundeswehreinheiten in Jugoslawien, daß ein Bundeswehreinsatz als Friedenstruppe im Kosovo nur auf der Grundlage eines Friedensabkommens zwischen den Konfliktparteien und mit deren ausdrücklicher Zustimmung zulässig sei. Einen Bundeswehreinsatz zur gewaltsamen Friedenserzwingung schließe der DBwV aus, allerdings fügte Gertz hinzu, daß der Westen bei Völkermord und Massenvertreibung nicht weiter tatenlos zusehen könne. Das Vetorecht einiger Staaten im UN-Sicherheitsrat dürfe nicht bewirken, daß die NATO an der unabdingbar erforderlichen Nothilfe gehindert werde. Die Alternative, die Auslöschung der kosovo-albanischen Bevölkerungsmehrheit, sei unannehmbar. »Der Schutz von Menschenrechten wiegt wesentlich schwerer als das sklavische Festhalten an Buchstaben der UN-Charta.« Eine ebenso theatralische Darstellung der Geschehnisse wie bedenkliche Haltung gegenüber internationaler Vereinbarungen!

Der damals noch amtierende Bundesaußenminister Kinkel erklärte am 12. Oktober '98: »Im Lichte des Unvermögens des Sicherheitsrates, seinem Gewaltmonopol bei dieser besonderen notstandsähnlichen Situation gerecht zu werden, fußt die Rechtsgrundlage angesichts der humanitären Krise im Kosovo auf Sinn und Logik der Sicherheitsratsresolution 1160 und 1199 in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der humanitären Intervention und einem Mindeststandart in Europa für die Einhaltung der Menschenrechte, dem wir die Qualität eines sich entwickelnden regionalen Völkerrechts beimessen. Dies ist ein Fall, in dem das Völkerrecht ein militärisches Tätigwerden zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden humanitären Katastrophe, nachdem alle zivilen Mittel erschöpft sind, ausnahmsweise erlaubt.« Zu beiden oben zitierten Äußerungen sind einige Bemerkungen und Richtigstellungen wohl angebracht:

1. Die UN-Sicherheitsrats-Resolutionen 1160 und 1199 enthalten gerade keine Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt nach Art. 42 oder Art. 53 UN-Charta. Art. 53 der UN-Charta bestimmt ausdrücklich: »Ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates dürfen Zwangsmaßnahmen aufgrund regionaler Abmachungen oder seiner regionalen Einrichtungen nicht ergriffen werden.« Der Ausnahmefall des Art. 51 VN-Charta, der die Notwehr und Nothilfe zugunsten eines angegriffenen Staates rechtfertigt, lag nicht vor, da keiner der NATO-Staaten militärisch angegriffen worden ist; kein angegriffener Staat hat um Nothilfe gebeten. Folglich haben die entsprechenden Bemühungen der USA im Sicherheitsrat auch nicht die erforderliche Zustimmung gefunden.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt der »humanitären Intervention« - im Klartext die Anwendung bewaffneter Gewalt in einem fremden Staat - kann ein Militärschlag nicht gestützt werden. Dem strikten völkerrechtlichen Gewaltverbot des Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta unterliegt »jede« Art der Anwendung von Waffengewalt gegen einen anderen Staat, sofern in der UN-Charta keine rechtfertigende Ausnahme vorhanden ist. Als völkerrechtlicher Rechtfertigungsgrund für einen nach der UN-Charta zulässigen Gewalteinsatz kommt bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nur eine ausdrückliche Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat nach Art. 42 oder Art. 53 UN-Charta in Betracht. Auch das »Selbstverteidigungsrecht« gegen einen »bewaffneten Angriff« auf einen anderen Staat nach Art. 51 UN-Charta greift nicht ein.

3. Falsch ist es ferner zu behaupten, daß der Schutz der Menschenrechte ein »sich entwickelndes regionales Völkerrecht« darstelle, das in Abweichung von der UN-Charta militärische Gewaltausübung erlaube. Richtig ist, daß der Menschenrechtsschutz eine ganz grundlegende Entwicklung des gesamteuropäischen Völkerrechts ist. Aber diese Entwicklung ist gerade nicht durch militärische Aktionen durchgesetzt worden.

4. Wer im Hinblick auf das u.a. von Rußland im UN-Sicherheitsrat wahrgenommene Veto-Recht von einem »Mißbrauch« oder einer »notstandsähnlichen Situation« redet, sollte vorsichtig sein; denn dann müßte man wegen amerikanischer Einsprüche wiederholt verhinderte Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates zum Verhalten Israels im Nahost-Konflikt in gleicher Weise beurteilen. Was freilich nicht geschieht. 5. Die Teilnahme der Bundeswehr an dem militärischen Angriff auf Jugoslawien stellt einen schwerwiegenden Bruch des der deutschen Teilvereinigung zugrunde liegenden Zwei-plus-Vier-Vertrages (Deutschlandvertrag) vom 12. September 1990 dar. In Art. 2 ist festgehalten, »daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.« Diese Verpflichtung ist gebrochen worden!

6. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Out-of-Area-Urteil vom 12. Juli 1994 herausgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 24 Abs. 2 GG einem »System gegenseitiger kollektiver Sicherheit« beitreten dürfe. Dann seien auch Einsätze der Bundeswehr erlaubt, »die im Rahmen und nach den Regeln des Systems stattfinden«. Mit der Beteiligung am NATO-Einsatz im Kosovo spricht sich die Bundesrepublik Deutschland erstmals von den Regeln dieses Systems frei, denn eine Rechtfertigung mit Hilfe der kollektiven Sicherheit ist nicht ersichtlich.

7. Weitere Gesetzestexte, die herangezogen werden sollten, um die Rechtswidrigkeit des Kosovo-Krieges darzulegen: Art. 26 Abs. 1 GG verbietet Angriffskriege mit folgendem Wortlaut: »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.« Die Strafandrohung ist in § 80 StGB dargelegt: »Wer einen Angriffskrieg, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren bestraft.« Art. 87a Abs. 2 GG lautet: »Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.« Gemäß Art. 9 des Soldatengesetzes schwören bzw. geloben die Soldaten der Bundeswehr »der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.« Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof, bis 1996 Befehlshaber des Wehrbereichskommandos II und Kommandeur der 1. Panzerdivision, äußerte sich gegenüber der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT auf die Frage, ob der Einsatz von Truppen der NATO mit deutscher Beteiligung zur Friedenssicherung rechtmäßig bzw. ein militärisches Eingreifen ohne UNO-Mandat völkerrechtswidrig sei, daß es »natürlich ein legitimes Recht jedes Staates [sei], bei einer Bürgerkriegsauseinandersetzung im Nachbarland Druck auszuüben. Ein Problem ergibt sich für die NATO erst, wenn die Serben sich endgültig weigern, ihr Befugnisse in Rest-Jugoslawien zuzubilligen, wie zum Beispiel die Überwachung eines Friedensprozesses durch NATO-Truppen im Kosovo. (...) Wenn Serbien dem Druck der NATO nicht nachgibt, Bündnistruppen auf seinem Territorium zu akzeptieren, und auch kein Mandat der UNO ausgesprochen wird, kommt ein Eingreifen der NATO einem Angriffskrieg gleich. Das wäre völkerrechtswidrig. (...) Nach Artikel 26 GG haben wir uns die Teilnahme an Angriffskriegen selbst untersagt. (...) Wenn wir ohne eine Zustimmung aus Belgrad mit Kräften der Bundeswehr in Jugoslawien einmarschieren würden, und sei es auch zum Schutz der Kosovo-Albaner, dann wäre das nach dem Völkerrecht eine Eröffnung des Krieges durch uns. Wir wären in diesem Fall der Angreifer.«

Exkurs: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Die Angriffe der NATO-Streitkräfte auf Jugoslawien und ihre Begründung vom »Schutz der albanischen Minderheit«, bieten einen passenden Anlaß zum Rückblick und Ausblick auf die Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Wie der Bonner Völkerrechtler Prof. Dr. Ernst Portner feststellt, gab es bis zum Ersten Weltkrieg kein allgemein anerkanntes völkerrechtliches Prinzip, nach dem ein Volk Anspruch auf einen eigenen Staat gehabt hätte. Dies sollte sich mit der Niederlage der Mittelmächte und ihrer Verbündeten im Ersten Weltkrieg ändern, selbstverständlich ohne, daß hierbei das Selbstbestimmungsrecht zur Anwendung gekommen wäre. Im Gegenteil, große Provinzen wie z.B. Elsaß-Lothringen, das Saarland, Westpreußen mit Danzig, das Memelland, Siebenbürgen und Südtirol wurden ohne Volksabstimmung vom Mutterland abgetrennt, Teile Oberschlesien sogar entgegen einer Volksabstimmung zugunsten Deutschlands; den Deutschen in Österreich, Böhmen und Mähren wurde der von ihnen gewünschte Anschluß an das Deutsche Reich verboten. Abgesehen von diesem Rechtsbruch krankte die Umsetzung des Völkerrechtsprinzips daran, daß es nur in den Verliererstaaten angewandt wurde, nicht aber in den Siegerstaaten: Die Korsen, Bretonen und Basken (und nun auch die Elsässer) blieben in Frankreich unterdrückte Minderheiten, ebenso wie dies für die Galizier, Basken und Katalanen in Spanien galt. Die Iren mußten sich ihren eigenen Nationalstaat (Eire) unter Waffengewalt von England erkämpfen, während Nordirland, Schottland und Wales, ebenso wie die alten und neu annektierten überseeischen Gebiete, »britisch« blieben. Auch in den neu geschaffenen Staaten Tschechoslowakei, Jugoslawien, Polen und Rumänien erwiesen sich die jeweiligen »Staatsvölker« - besonders die Tschechen und Serben - bald als schlimmere Unterdrücker ethnischer Minderheiten als es ihre Vorgänger je gewesen waren. Die Entente-Mächte rührten auch keinen Finger, als die unter Kemal Pascha wieder erstarkte Türkei 1920-22 ihre ehemaligen armenischen, griechischen und kurdischen Gebiete zurückeroberte. Ebensowenig als Deutschland während der 30er Jahre das Selbstbestimmungsrecht durchsetzte und auf diese Weise friedlich das Rheinland, das Saarland, Danzig, das Sudetenland und Österreich heim ins Reich holte, ohne daß es hierbei zu internationalen Konflikten gekommen wäre.

Die Bereitschaft der Siegermächte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker als unteilbares Gut anzuerkennen schwand Mitte '39 jedoch wieder. Nach Beendigung der Kriegshandlungen gegen Deutschland und Japan wurde das aus der Satzung des Völkerbunds übernommene Lippenbekenntnis zum »Selbstbestimmungsrecht der Völker« in Artikel 1 Absatz 2 der VN-Charta von 1945 dahingehend ausgelegt, »daß es nicht für ethnische Minderheiten in souveränen Staaten galt.« Dies sollte sich erst beim Auseinanderbrechen des Ostblocks und dem Fall der Berliner Mauer 1989 ändern. Nun wagten es einige Völker, die in »souveränen Staaten« lebten, sich gegen diese eherne Regel aufzulehnen, unter ihnen die Esten, Letten, Litauer, Weißrussen, Ukrainer, die Turkvölker der ehemaligen Sowjetunion, Slowaken, Slowenen und Kroaten. Sie alle konnten sich anfangs nur geringer Sympathien des Auslands erfreuen, das sie widerwillig erst anerkannte, als es ihnen gelungen war, vollendete Tatsachen zu schaffen. Denn das Credo der politisch korrekten Gutmenschen hieß inzwischen nicht mehr Selbstbestimmungsrecht der Völker, sondern Multikulturelle Gesellschaft. Jedes Unabhängigkeitsstreben einer ethnischen Minderheit, die dieses neue Prinzip in der Praxis widerlegte, wurde von dessen Verfechtern als ideologischer Schlag ins Gesicht empfunden, als Wiederauferstehung des Nationalismus, ja des Nationalsozialismus. Und den gilt es selbstredend zu bekämpfen.

Der Propagandaapparat

So wundert es nicht, daß Politiker und Medien den jugoslawischen Präsidenten als »neuen Hitler« diffamierten - ein propagandistischer Schachzug, der übrigens bei Bedarf auch gern gegenüber Saddam Hussein angewandt wird und vor ihm gegen Chomeini und Gaddafi Verwendung gefunden hatte. Das Kosovo wurde flugs zum Schlachthaus, zum neuen Auschwitz deklariert. Schröder, Fischer, Scharping und Konsorten »würgten« hinter ihrer Betroffenheitsmaske mit Begriffen wie »Deportation«, »Ausrottung«, »Genozid«, »Konzentrationslager« und »Vernichtungsfeldzug« eine - um einen Ausdruck der TAGESZEITUNG zu gebrauchen - »Verbalpampe« hervor. Und die BILD-ZEITUNG wußte ausgerechnet am 1.4.99 mit einem halbseitigen Photo auf der Titelseite und der Überschrift »Sie treiben sie in KZ« zu schockieren. Dabei zeigte das Bild lediglich albanische Flüchtlinge auf dem Weg nach Albanien.

Die durch die Massenmedien und die Bundesregierung bewußt aufgepeitschte emotionale Stimmung war derart allumfassend, daß es - außer einigen »linken« und »rechten« Intellektuellen - niemanden gab, dieser Volkverhetzung und dem schizophrenen Hang, das bereits vor zwei Generationen untergegangene Dritte Reich bekämpfen zu müssen, entgegenzutreten. Die bundesdeutsche Kriegsbeteiligung wurde als eine Art »antifaschistischer Wiedergutmachung verkauft«. Die Zeitschrift KONKRET urteilt da schon richtig: »Scharping steigerte sich zwecks Rechtfertigung seiner 'Luftschläge' in einen unbändigen Haß auf Milosevic, den er sich nun als neuen Hitler vorstellte, um sich selbst als antifaschistischen Kommandeur imaginieren zu können, der die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardieren läßt.« Es wäre übrigens falsch anzunehmen, das der vermeintliche Pazifist Joschka Fischer als Minister zum Militaristen mutiert wäre. Im Gegenteil, Fischer ging schnurstracks seinen Weg: So wie früher als Berufsdemonstrant will Fischer auch heute seine Vorstellung von Humanismus - den Aktionen der Antifa nicht unähnlich - mit Gewalt durchsetzen. »Daß Fischer heute mit Kampfbombern realisiert, was er damals mit Pflastersteinen versuchte, macht ihn in der Logik des Humanismus nicht zum Verräter (...) Auch die Machtträume wurden schon damals (nicht nur von ihm) geträumt. Nur daß Fischer diese Träume heute in und mit dem deutschen Staat verwirklicht, wo Linksradikale sie als Gegen(staats)macht gedacht haben.« Langsam, aber bestimmt, galt es, das kriegsmüde Volk psychisch auf den Krieg vorzubereiten. Dem HAMBURGER ABENDBLATT v. 1.3.1999 beispielsweise konnte man entnehmen, daß Scharping eine Teilnahme der Bundeswehr an möglichen Luftangriffen auf serbische Stellungen plötzlich nicht mehr ausschloß, schließlich es sei wichtig, »daß Deutschland sich entsprechend seinem internationalen Gewicht engagiert«. Dies gelte auch für den Fall, daß die Zustimmung der Serben zu einem Friedensabkommen für die serbische Krisenprovinz mit Luftangriffen erzwungen (sic!) werden sollte.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Hartmut Bagger, bekräftige diese Absicht: „Deutschland wird seiner Verpflichtung für Frieden in Europa im Einklang mit seiner geographischen Lage im Zentrum Europas, seiner wirtschaftlichen Stärke und seinem Einfluß in allen internationalen Schlüsselorganisationen und -einrichtungen, die für den Frieden und die Stabilität in Europa arbeiten, nachkommen.“

Nebenbei machte sich eine sogenannte Zukunftskommission »Gedanken« über die Bundeswehr und ihren Auftrag im 21. Jahrhundert. Bezeichnenderweise besteht diese »Kommission« aus einem bunten Haufen unterschiedlichster Vertreter des öffentlichen Interesses, vor allem solchen, denen man nur schwerlich ein militärisches Interesse, geschweige denn eine militärische Kompetenz nachsagen möchte: u.a. Richard von Weizsäcker, der Publizist Theo Sommer, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland und die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen und Blumenverkäuferin Waltraud Schoppe. Als Leitlinien für die Planungsarbeit gaben diese militärischen »Fachleute« dem Verteidigungsministerium u.a. vor »die Einbindung Deutschlands in die NATO, die Verstärkung der außen- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten der Europäischen Union und die Unterstützung der Vereinten Nationen, der OSZE« usw. usf. Nur der einzige im Grundgesetz vorgesehene Auftrag der Bundeswehr, nämlich der der Landesverteidigung, taucht in dem Papier mit keinem Wort auf! Davon abgesehen darf man wohl fragen, mit welchem Recht und welcher Befugnis sich diese Auserwählten in interne Angelegenheiten der nationalen Streitkräfte einmischen. Während eines Interviews im ARD/ZDF-Morgenmagazin, einen Tag vor dem NATO-Angriff, stellte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes Oberst Bernhard Gertz fest, daß für einen militärischen Einsatz der 3.000 in Mazedonien stationierten Soldaten der Bundeswehr zwar kein Mandat mehr bestünde, weil sie als Friedenstruppen hingeschickt worden seien und sich die Bedingungen nun geändert hätten, aber »es wäre völlig falsch, die deutschen Soldaten jetzt abzuziehen, das wäre ein absolut falsches Signal - einmal an Milosevic, zum anderen aber auch an unsere europäischen und NATO-Partner. Denn die würden schlicht und ergreifend sagen, 'aha, die Deutschen, Feigheit vor dem Feind, Fahnenflucht, die verschwinden jetzt, wenn's brenzlig wird'. Das können wir uns mit Blick auf unsere internationale Reputation nicht leisten.« Natürlich nicht.

Und um in der Truppe aufkommendem Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kriegseintritts entgegenzutreten, stellte der Bundeswehrverband sicherheitshalber zwölf von Gertz unterschriebene Leitsätze auf, in denen es u.a. heißt:

· Der DBwV hält an seiner Auffassung fest, daß die Vereinten Nationen in die Lage versetzt werden müssen, sowohl zwischen- als auch innerstaatliche Konflikte im Sinne einer wirksamen politischen Krisenprävention verhindern bzw. lösen zu können. Wo innerstaatliche Konflikte Formen eines Bürgerkrieges annehmen, der zu Massenvertreibung, Massenvernichtung und Terror führt, müssen die UN dem Schutz von Menschenrechten den Vorrang vor dem Nichteinmischungsprinzip einräumen.

· Die Tatsache, daß die UN derzeit nicht in der Lage sind, Konflikten der beschriebenen Art wirksam zu begegnen (wie es sich z.B. bei den gescheiterten Blauhelmoperationen in Somalia und Bosnien gezeigt hat), kann und darf nicht dazu führen, daß zivilisierte Nationen der organisierten Mißachtung von Menschenrechten tatenlos zusehen. Unsere eigene deutsche Geschichte lehrt uns, wie wenig eine Appeasement-Politik geeignet ist, menschenverachtende Diktaturen rechtzeitig zu stoppen. · Der DBwV hat keinen Zweifel daran, daß der Einsatz der NATO verfassungs- und völkerrechtlich legitimiert ist. (…) Deutsche Soldaten handeln rechtmäßig, wenn sie die ihnen erteilten Einsatzbefehle ausführen. Die Luftschläge sind weder ein Angriffskrieg im Sinne des Grundgesetzes, noch sind sie mit flächendeckenden Bombardements gegen Zivilbevölkerung in vergangenen Luftkriegen vergleichbar. Insbesondere würden zum Angriffskrieg die politische Absicht und die Mittel gehören, einen raumgreifenden Eroberungsfeldzug zu führen.

· Der Einsatz der NATO war und ist auch notwendig. Nicht die NATO hat einen Krieg begonnen, sondern Milosevic hat einen blutigen Bürgerkrieg gegen die kosovo-albanische Bevölkerung geführt. (…) Während der Verhandlungen von Rambouillet hat er seine Endlösung des Kosovo-Problems vorbereitet. Deshalb ist das Vorgehen der NATO nicht Aggression gegen einen souveränen Staat, sondern humanitäre Nothilfe für entrechtete und in Lebensgefahr befindliche Menschen.

Außenminister Joschka Fischer scheint der neuen, politisch korrekten Sprachregelung, die der Große Bruder in George Orwells Roman 1984 »Newspeak« nennt, Rechnung zu tragen, als er die verdutzte Öffentlichkeit aufklärte, daß »wir« gar keinen Krieg führen würden. Es handele sich vielmehr um eine »Krisenintervention«, um »einen humanitären Einsatz«, um eine militärische »Friedenserhaltung«, »-erzwingung«, »-mission« usw., gar um ein »humanitäres Völkermordverhinderungsmanöver« - oder schlicht um »Peacekeeping«. Die Alt-68er, die jetzt die Regierung stellen, scheinen die NATO für den militärischen Arm von Amnesty International zu halten. Auf den für die öffentliche Akzeptanz benötigten Dummenfang ging die offensichtlich gleichgeschaltete Presse. »Durch die konsequente deutsche Beteiligung an den Operationen des Bündnisses« sei »der Stellenwert Deutschlands innerhalb der NATO gestiegen. Wer mitkämpft, kann auch mitreden.« , alberte DIE WELT. Und die BERLINER MORGENPOST setzte im Boulevardstil noch einen drauf: »Noch Tage nach dem Einmarsch der Bundeswehr ist Prizren im Freudentaumel. Selbst bei strömendem Regen fahren hupende Autos mit albanischen Fahnen durch die Stadt, immer wieder schießen Rebellen in die Luft. Jetzt hat das deutsche Militär das Sagen.«

Was ist Wahrheit?

Der Abschluß des in Rambouillet ausgehandelten »Friedensabkommens« ist letzten Endes deshalb nicht zustande gekommen, weil die NATO und ihre Mitgliedstaaten darauf bestanden haben und bestehen, daß NATO-Verbände unter NATO-Kommando, nicht aber die VN mit einem starken »Blauhelm-Kontingent«, die Einhaltung des Abkommens überwachen. Durch den Annex B zum Rambouillet Vertrag, der die uneingeschränkte Besetzung Restjugoslawiens - nicht nur des Kosovo - durch NATO Truppen verlangte (was einer Art bedingungslosen Kapitulation gleichkäme), stellten die USA und ihre Büttel sicher, daß Jugoslawien ihrem Vertragswerk nicht zustimmen konnte. In Art. 6 heißt es beispielsweise: »Die zur NATO gehörenden Personen genießen unter allen Umständen und zu jeder Zeit Immunität (...) hinsichtlich sämtlicher verwaltungs-, straf- oder disziplinarrechtlicher Vergehen, die sie möglicherweise in der Bundesrepublik Jugoslawien begehen.« In Art. 8 ist festgehalten, daß das Personal der NATO sich mit »seinen Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen innerhalb der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien inklusive ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer frei und ungehindert sowie ohne Zugangsbeschränkungen bewegen können« sollen. Kein Staat, der auf seine Souveränität Wert legt, würde eine derartige Provokation unterschreiben. Eine solche Politik trägt erpresserische Züge - sie erinnert geradezu an das Versailler Diktat!

Der Konflikt auf dem Amselfeld stellt einen extrem gefährlichen Präzedenzfall dar: Die in der NATO organisierten Militärmächte überfielen mitten im Frieden und ohne Kriegserklärung einen souveränen Staat, der es gewagt hatte, gegen eine terroristische Untergrundarmee - die »linksintellektuelle« Zeitschrift KONKRET bezeichnet die UCK als einen »marodierenden Freischärlerhaufen konkurrierender maoistischer Sekten[, der] innerhalb von zwei Jahren eine schlagkräftige Terrorarmee werden konnte« - vorzugehen, die sich mehr oder weniger zufällig überwiegend aus Angehörigen einer nationalen Minderheit zusammensetzt und dreist behauptet, für die Unabhängigkeit/Autonomie »ihres« Volkes zu kämpfen. Gregor Gysi ist zuzustimmen als er am 26.3.99 vor dem Bundestag meinte, jeder Staat setze gegen derartige Bestrebungen Militär ein. Das war in den sechziger Jahren in Südtirol so, das war und ist im Baskenland und in Nordirland so, das ist vor allem im kurdischen Gebiet der Türkei und in Tschetschenien so. Der albanische Bevölkerungsteil auf dem Amselfeld stellt Einwanderer dar, die im Laufe der Jahrhunderte in das Herz Serbiens eingedrungen waren und sich in den letzten Jahrzehnten überproportional vermehrt haben. Gibt ihnen ihr Geburtenüberschuß schon ein Recht auf Autonomie oder gar Unabhängigkeit? Falls ja, dann hat doch wohl auch der türkische Bevölkerungsteil in Berlin-Kreuzberg einen Anspruch auf einen eigenen Stadtstaat?!

Nicht jeder Zeitgenosse hat den Blick für das Hintergründige aus den Augen verloren. Das gibt Hoffnung. Peter Nadelhaft etwa meint in seinem Leserbrief an die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vom 15.10.99: »Werfe ich einen Blick in meine Geschichtsbücher aus der Schulzeit, so kommt mir der Gedanke, daß sicher auch jetzt in irgendeiner Schublade ein Geheimprotokoll existiert, in welchem sich die NATO die Zurückhaltung der Russen in Jugoslawien erkauft hat für ein Versprechen, bei einem allfälligen Krieg in Tschetschenien in die andere Richtung zu schauen. Das sind uralte Verhaltensmuster von Großmächten. Ein erneuter Blick in die Geschichtsbücher zeigt auch, daß die Mächtigen schon immer bemerkenswerte Fähigkeiten zeigten, ihre Machtpolitik in ein geeignetes Marketing zu verpacken, sei nun der Aufhänger angebliche Besorgnis um Menschenrechtsverletzungen, angeblich notwendiger Zugang zu Alpenpässen, angeblich knapper Raum für das eigene Volk oder ähnliches.« Gewiß kein an den Haaren herbeigezogener Gedankengang.

Humanitäre Motive? Schutz der Menschenrechte?

»Die Völkergemeinschaft« könne nicht zusehen, wie wehrlose Zivilisten ermordet werden, so oder ähnlich begründete die Bundesregierung ihren Kriegseinsatz gegen Jugoslawien.

Pikanterweise haben deutsche Gerichte noch wenige Monate vor Kriegsbeginn in mehreren Urteilen festgestellt, daß Kosovo-Albaner nicht dem Asylrecht unterliegen. Inwiefern kann man dann aber ernsthaft von einer »Mißachtung der Menschenrechte im Kosovo« sprechen?

Nur gut, daß dieser Krieg, Bonner bzw. Berliner Erklärungen zufolge, nicht gegen das serbische Volk, sondern gegen Milosevic gerichtet wurde! Nur seit wann bitte ist es humanitär, auf arbeitende Menschen in Jugoslawien, auf ihre Arbeitsplätze und Wohnungen Bomben abzuwerfen? Wieso nützt die Zerstörung von Zigarettenfabriken und -zig anderer Fabriken in Serbien den Kosovaren? Auch das Kosovo wurde in Trümmer gebombt. Im Interesse der albanischen Bevölkerung?

Die NATO zerstörte systematisch in ganz Jugoslawien die Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung. Mußten aus »humanitären Gründen« die Hauptstadt und große Teile der Infrastruktur Jugoslawiens zerstört werden? Ach so, dies waren ja nur »Kollateralschäden«. Sorry Serbs!

Ein vermeintliches Recht auf humanitäre Intervention »existiert nur in der Phantasie derer, die von einem Weltstaat mit einer Weltpolizei träumen.« Und selbst dann »bedürfte es klarer Rechtsregeln und Gesetze. Niemand ist befugt, sich ein Interventionsrecht anzumaßen, unter welchen Vorwänden auch immer. Zu den unabdingbaren, international gültigen Menschenrechten zählt laut UNO-Charta zum Beispiel auch das Recht auf Arbeit.« Stehen künftig vielleicht Staaten in Gefahr »humanitär interventiert« zu werden, in denen Massenarbeitslosigkeit herrscht und deswegen vielen Menschen ein zentrales Grundrecht vorenthalten wird?

Wenn Völkermord, Vertreibung und Folter der Maßstab militärischer Einsätze gegen andere Völker und Länder wäre, dann müßte die NATO konsequenterweise zum Beispiel auch China und die Türkei bombardieren, was freilich nicht absehbar ist. Tatsächlich ist die Politik gutmenschlicher Regierungen, die sich angeblich der »Verteidigung von Menschenrechten« verschrieben hat, hochgradig unglaubwürdig, da sie mit zweierlei Maß mißt. Plastisches Beispiel: die Verhaltensmaßnahmen gegenüber Ruanda. Noch vor wenigen Jahren wurden vor den Augen der sensationsgeilen Fernsehwelt etwa 700.000 Neger des Stammes der Tutsi in Ruanda abgeschlachtet, ohne daß sich der Weltpolizist veranlaßt gesehen hätte, einzugreifen. Muß man daraus etwa schlußfolgern, daß Clinton ein Rassist ist, da ihm offensichtlich das Leben eines weißen Kosovo-Albaners mehr wert ist als Hunderte schwarzer Tutsis? Davon einmal abgesehen: Unterdrückung und Vertreibung, also jene Schandtaten, die den Serben im Zusammenhang mit den Albanern im Kosovo vorgeworfen werfen, stehen in Israel seit 50 Jahren gegen die Palästinenser an der Tagesordnung.

Feindstaatenklauseln

Deutsche Soldaten standen während des Krieges der NATO gegen Serbien Schulter an Schulter - oder besser: Flugzeugtragfläche an Flugzeugtragfläche - mit französischen, britischen, US-amerikanischen und anderen Soldaten der »westlichen Wertgemeinschaft« mit Herz und Hand ein für Humanität, Demokratie und Menschenrechte. Endlich durften die Bundesdeutschen ihre absolute Verläßlichkeit als Partner der gutmenschlichen Staatengemeinschaft unwiderlegbar unter Beweis stellen. Und das in einem militärischen Bündnis, das vor exakt 50 Jahren gegründet worden war, um, so die Worte des ersten NATO-Generalsekretärs Lord Hastings Lionel Ismay, die »Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen drunten« zu halten. Schwamm drüber! Vorbei ist nun die Zeit, in der die totale Gefolgschaft nur in Form von Lippenbekenntnissen oder als maßgeblicher Geldgeber über die Bühne gehen konnte. Endlich stand man als Alliierter in action auf der »richtigen Seite« - wenn da nur nicht die häßlichen Feindstaatenklauseln der VN-Charta wären!

Und diese sind alles andere als Schnee von gestern oder galant zu übergehen. Selbst die Jungen Liberalen Bayern forderten (sic!) bereits während ihres 21. Landeskongresses im Oktober 90 »hiermit die Bundesregierung auf, sich bei den Vereinten Nationen (UNO) dafür einzusetzen, daß die überkommenen Feindstaatenklauseln der UNO gegen die Bundesrepublik Deutschland und Japan aufgehoben werden.« Wie kamen die Klauseln zustande und was besagen sie? »Zur Gründungszeit der Vereinten Nationen wurde die Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs, die Bundesrepublik Deutschland, noch als (zumindest latenter) Feind betrachtet. In der UN-Charta fand folgerichtig diese Wertung in den Artikel 53 und 107 Einzug. Die Bundesrepublik Deutschland wurde hierdurch, mit Wirkung bis heute, als Feindstaat definiert. Auch wenn aus der UN-Mitgliedschaft Deutschlands eine weitgehende Relativierung dieses Status resultiert, bleibt doch zumindest der Eindruck einer Stigmatisierung bestehen.« Wenn es doch nur eine Diskriminierung oder ein Brandmal wäre! Nach der Satzung der VN ist es allen Staaten, die z.Zt. der Unterzeichnung der Charta Feinde Deutschlands, Japans und deren Verbündeten waren, also die Siegerstaaten und unter ihnen auch Rußland und Jugoslawien erlaubt, in der BRD »einzugreifen«, wenn sie sich einer »Aggression« schuldig macht. Ein solcher Zustand spricht nun nicht gerade für den Souveränitätsstatus der BRD. Da wundert es denn auch nicht, daß kein Feindstaat des 2. Weltkrieges je einen Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen hat, im Grunde genommen also lediglich ein Waffenstillstand herrscht.

Nach der Charta der Vereinten Nationen trägt der Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit (Art. 24). Er kann Regionalorganisationen mit der Durchführung von Zwangsmaßnahmen beauftragen, falls diese geeignet sind, den »Weltfrieden« zu wahren. Umgekehrt dürfen die Regionalorganisationen nicht von sich aus Zwangsmaßnahmen ergreifen. Von dieser letzteren Regel gibt es nach Art. 53 eine Ausnahme, nämlich Zwangsmaßnahmen gegen Staaten, die während des Zweiten Weltkriegs Feind eines der Unterzeichner der Charta waren. Dies traf auf Deutschland und Japan zu. Nach der VN-Charta sollten die Mitgliedsstaaten dem Sicherheitsrat Truppen zur Verfügung stellen, um diesen in die Lage zu versetzen, seine friedenserzwingenden Maßnahmen wirksam durchführen zu können. Bis diese Truppen aufgestellt waren, sollten nach Art. 107 die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats nach entsprechenden Beratungen untereinander und mit anderen Mitgliedsstaaten »Maßnahmen« gegen die Feindstaaten ergreifen können, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gewährleisten.

Verständlich, daß unter solchen Umständen die offiziellen Stellen der BRD seit Jahren - selbstredend in der ihnen geziemenden Zurückhaltung - versuchen, die Annullierung dieser brisanten Klauseln regelrecht durchzubitten. Und wenn es mit der geradezu infantilen Bemerkung geschieht, die Feindstaatenklauseln würden keinen Sinn mehr ergeben. 1994 verstieg sich die Bundesregierung sogar zu der kecken Äußerung, daß die Feindstaatenklauseln der Charta obsolet und nicht länger anwendbar seien - freilich ohne hierfür den Beifall der Generalversammlung der Vereinten Nationen erhalten zu haben. »Die Bundesregierung ist der Auffassung«, so das Auswärtige Amt, »daß die Feindstaatenklauseln der Bundesregierung spätestens mit dem Beitritt der beiden deutschen Staaten zu den Vereinten Nationen im Jahr 1973 gegenstandslos geworden sind. Die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland seitdem dreimal dem Sicherheitsrat angehörte und während einer Sitzungsperiode den Präsidenten der Generalversammlung gestellt hat, zeigt deutlich, daß sie in den Vereinten Nationen die vollen Rechte eines gleichberechtigten Staates ausübt. Mit dem Inkrafttreten der abschließenden Regelung, durch die die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes beendet wurden (2 + 4 Vertrag), gilt dies für das vereinte Deutschland erst recht.« Hierüber ließe sich freilich streiten, der Hasenfuß kommt aber noch: Das Max-Planck-Institut berichtet: »Die Bundesregierung führte weiter aus, daß eine förmliche Aufhebung der Feindstaatenklauseln nicht ohne weiteres möglich sei, da hierzu das Änderungsverfahren nach der Charta der Vereinten Nationen eingehalten werden müsse.« Und dies wird, dem Auswärtigen Amt zufolge, in absehbarer Zukunft kaum geschehen, da die überwiegende Mehrheit der VN-Mitgliedsstaaten »die Notwendigkeit des relativ aufwendigen Verfahrens einer Charta-Änderung eigens zum Zweck der Streichung dieser Bestimmungen nur schwer einsieht« - und zwar, weil sie die Feindstaatenklauseln als irrelevant betrachteten.

Wahrung kapitalistischer Interessen zur Schaffung eines Welt-Einheitstaates

Was sind die Kriegsziele der NATO? Um es auf den Nenner zu bringen: Profit- und Machtinteressen. Auf lange Sicht geht es um den sicheren Zugang zu den Rohstoffen Rußlands und der umliegenden Ölregionen. Die amerikanisch-europäische Militärpräsenz auf dem Balkan soll die Interessen der Firmen ihrer Länder durchsetzen und den freien Zugang zum Kaukasus herstellen.

Martin Singe, Redakteur des FriedensForums und Sekretär des Komitees für Grundrechte und Demokratie in Köln, hat dankenswerterweise zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß anhand drei öffentlich zugänglicher Dokumente belegt werden kann, wohin die Reise der »neuen NATO« und die »Sicherheits- und Stabilitätspolitik« der USA und ihrer Paladine geht. Es handelt sich hierbei erstens um das neue Strategische Konzept der NATO, das diese 1991 - ein halbes Jahr nach dem ersten Golfkrieg - in Rom verabschiedet hat (im folgenden zitiert als »NATO«), zweitens um die Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR) des ehemaligen Bundesverteidigungsminister Volker Rühe von 1992 und drittens um das Weißbuch von 1994. Macht man sich die Mühe, und studiert diese drei Dokumente im Zusammenhang, dann wird schnell deutlich, wie rasch die NATO sich aus ihrer kurzfristigen Orientierungslosigkeit (Verlust des Feindbildes zu Beginn der neunziger Jahre) erholt hat und nun sozusagen den USA global als Erfüllungsgehilfin für die Absicherung ihrer wirtschaftlichen und politischen Weltherrschaftsposition zur Verfügung steht.

Im Kapitel 8 der VPR ist die allgemeine Zielrichtung dargelegt: »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung.« Bereits im NATO-Papier von 1991 hieß es hierzu bestätigend, daß die Sicherheitsinteressen des Bündnisses von Risiken wie z.B. »der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen« berührt werden können. »In einer interdependenten Welt sind alle Staaten verwundbar, unterentwickelte Länder aufgrund ihrer Schwäche und hochentwickelte Industriestaaten aufgrund ihrer empfindlichen Strukturen. Jede Form internationaler Destabilisierung beeinträchtigt den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt ... Kommt es zu solchen Fehlentwicklungen, werden zerstörerische Einflüsse auch in die hochentwickelten Gesellschaften getragen.« (VPR, 23) »Deutschland ist aufgrund seiner Interessen, seiner internationalen Verflechtungen und Verpflichtungen vom gesamten Risikospektrum betroffen.« (Weißbuch, 255) »Unter den neuen sicherheitspolitischen Verhältnissen läßt sich Sicherheitspolitik weder inhaltlich noch geographisch eingrenzen. ... Risikovorsorge muß folglich als erweiterte Schutzfunktion verstanden werden. (…) Zukünftig muß aber politisches und militärisches Krisen- und Konfliktmanagement im erweiterten geographischen Umfeld eindeutig im Vordergrund unserer Maßnahmen zur Sicherheitsvorsorge stehen.« (VPR, 24, 25) »Wirtschaftliche Dynamik und technologische Innovation, der Wettbewerb um künftige Märkte und Ressourcen bestimmen den internationalen Einfluß eines Landes heute mehr als militärische Macht. Neue politisch-ökonomische Zentren formieren sich. Vor diesem Hintergrund kann sich kein Staat der wachsenden Dynamik und Interdependenz der Weltwirtschaft entziehen.« (Weißbuch, 213)

Dieser Neuformulierung der Sicherheitsinteressen entspricht der in den Dokumenten beschriebene Funktionswandel des Militärs. Krieg, wird zu einer normalen Kategorie im Spektrum der Möglichkeiten von Krisenbewältigung: »Für einen Erfolg der Bündnispolitik ist ein von der politischen Führung des Bündnisses festzulegender kohärenter Ansatz erforderlich, wobei sie nach Bedarf die geeigneten Krisenbewältigungsmaßnahmen aus einer Palette politischer und sonstiger Optionen, darunter auch aus dem militärischen Bereich, auswählt und koordiniert.« (NATO, 33) Dabei wird deutlich hervorgehoben, daß die militärische Option nicht mehr von einem vorher stattgefundenen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff abhängig sein dürfe. (vgl. VPR, 39, 49) Militäreinsätze sind in dieser Strategie nicht die viel beschworene ultima ratio, sondern können genauso gut die prima ratio sein.

Im Umfeld der NATO-Regierungen spricht man bereits von einem »neuen Marshall-Plan« für das Kosovo. Was heißt das? Die gutmenschlichen Baumeister einer »Neuen Ordnung« lassen Industrie und Infrastruktur Jugoslawiens zerstören, um sie mit eigenem Kapital wiederaufzurichten. So paradox eine solche Zielsetzung klingen mag, sie entspricht der Logik des Kapitalismus: In den kapitalistischen Kernländern besteht enormer Kapitalüberschuß. Unsummen von Kapital können gar nicht profitträchtig genug verwertet werden. Also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Krieg beschert der Rüstungsindustrie Milliardenumsätze und Kapitalvernichtung durch Militäreinsätze schafft neue Möglichkeiten zur Anlage des Kapitalüberschusses, wobei sich das angegriffene Land - quasi als willkommener Nebeneffekt - unsagbar verschulden muß.

Multikultur

Allerdings bin ich ferner auch der Meinung, daß neben den Kriegsgewinnen und der Eroberung neuer wirtschaftlicher Ressourcen ein weiteres wichtiges Kriegsmotiv nicht übersehen werden sollte: Die NATO und damit auch die Bundeswehr, die beide von linksliberalen bis sozialistischen Politikern geführt werden, beseitigen in der ihnen selbst verliehenen Rolle des Weltpolizisten die nationale Souveränität der Völker und lösen ethnische Grenzen zugunsten großer Wirtschaftsräume gewaltsam auf. Gerade durch die Multikultur ist garantiert, daß innere Spannungen ent- und dauerhaft bestehen, die jederzeit genutzt werden können, ein Land nach Bedarf zu destabilisieren. Multikulturelle Spannungen machen, dies hat uns die Geschichte anhand vieler Beispiele gelehrt, auf Dauer jedes Land mürbe und für Bürgerkriege anfällig. Mit der Ablehnung der Multikultur hat sich Serbien gemäß den welteinheitlichen Richtlinien der »Internationalen Gemeinschaft« als Weltfeind ausgewiesen und ist fortan zum Freiwild für die Globalisten geworden.Der bereits oben zitierte Friedensforscher Mechtersheimer erklärt in diesem Zusammenhang sogar die überraschende NATO-Treue der Berliner Linkskoalition :

„Grüne und Sozialisten sind mehrheitlich eben doch getarnte Internationalisten. Ihr Credo ist das Antinationale. Und deshalb unterstützen sie, weil es die Kommunisten als machtpolitischen Faktor nicht mehr gibt, die westlichen Internationalisten, die mit der NATO unter US-Führung ihren supranationalen Träumen von einem Weltstaat am besten entsprechen. Nur so ist zu erklären, weshalb sie alle völker- und verfassungsrechtlichen Normen mit Füßen treten.“

Diese nachvollziehbare Erklärung wird sogar seitens der NATO unumwunden bestätigt. Dem Kommandeur der NATO-Truppen in Europa, General Wesley Clark, platzte es am 24.4.99 im CNN heraus: »In einem modernen Europa ist kein Platz für 'ethnisch reine' Staaten oder Völker. Das ist eine falsche Idee aus dem 19. Jahrhundert. Wenn wir ein modernes Europa in das 21. Jahrhundert hinüberretten wollen, dann werden wir dies mit multi-ethnischen Staaten vollziehen.“

Und für die, die es immer noch nicht wahrhaben wollen: Ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums gab gegenüber der amerikanischen Zeitung SPOTLIGHT ohne Scham das hochgesteckte Endziel zu: »Es ist wichtig, die NATO von den Einschränkungen ihrer eigenen Grundsätze zu befreien, damit der Plan zu einer Weltregierung einen Schritt weiter vorangetrieben werden kann (...) Obwohl es gegen die Statuten der NATO verstößt, kann die NATO jetzt auf der ganzen Welt jeden Staat angreifen. Damit hat sich die Rolle der NATO als UN-Weltarmee gefestigt.«

Die Straße frei den Globalisten

Am 23. März 1999 erklärte der deutsche Bundeskanzler vor laufenden Fernsehkameras, daß ihm der jugoslawische Präsident Milosevic keine andere Wahl gelassen habe, als daß er, Schröder, »unsere jungen deutschen Soldaten« für den Kriegseinsatz nach Serbien schicken müsse. Wie wir gesehen haben, ist aufgrund des nationalen und internationalen Völker- und Verfassungsrechts das Gegenteil richtig. Von einem Zugzwang oder einer Ausweglosigkeit kann keine Rede sein. Tatsächlich waren militärisch-stragische, politische und wirtschaftliche Motive für den Angriffskrieg ausschlaggebend. Zusätzlich kommt neben diesen Komponenten aber noch eine weitere, eine besondere, eine bundesdeutsche hinzu:

Nach Beendigung der Kampfhandlungen lieferte Schröder eine geradezu sensationelle Interpretation über die Rolle Deutschlands im Kosovo-Krieg. Der Bundeswehreinsatz sei geeignet, die »historische Schuld wenn nicht vergessen, dann doch verblassen« zu lassen. Diese dubiose Formulierung aus dem Munde des Kanzlers widerspiegelt das gängige Geschichtsbewußtsein in der BRD. Es fragt sich, ob Schröders Aufrechnung zwischen »guter Gegenwart« und »böser Vergangenheit« aufgeht. Die Bundeswehr im Kosovo also als eine Art Imagepflege , als besondere Form von Wiedergutmachung? Die sogenannte »neue Bundeswehr« hat mit überraschender Flexibilität alle früheren Gewissensbisse und Einsatzbeschränkungen überwunden und bereitet sich auf Interventionseinsätze in aller Welt vor. Die NATO will sich mit dem Recht des Stärkeren auf ehemalige Ostblockstaaten erweitern - hieran hat die Bundeswehr größten Anteil, wie der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Hartmut Bagger, auf einer Tagung des South African Defence College am 23.2.98 in Pretoria stolz verkündet hat . Diese Entwicklung wird auf langer Sicht Konsequenzen mit sich ziehen, denn mit der Aufnahme der Tschechei und Polens und anderer mittelosteuropäischer Staaten steht die NATO de facto an der Westgrenze Rußlands. Es ist nicht zu erwarten, daß ein eines Tages regeneriertes Rußland diese Provokation als Selbstverständlichkeit einfach hinnehmen wird.

Wo werden künftig die Grenzen für »Friedensmissionen« gezogen? Wird die NATO in absehbarer Zeit Luftangriffe gegen die Türkei fliegen, um die Autonomie der Kurden unter Führung der PKK zu erzwingen? Wird vielleicht demnächst die Schweiz von der NATO bombardiert werden, falls sie so »uneinsichtig« bleibt und sich weiter weigert, der den VN und der EU beizutreten? Stehen künftig Völker und Kulturen auf der Abschußliste, bei denen Klitorisbeschneidungen durchgeführt oder Hanffelder angebaut werden? Werden die Gutmenschen demnächst Staaten mit Bombenteppichen überziehen, die mit ihnen keine Auslieferungsabkommen abgeschlossen haben oder politische Flüchtlinge aus den »guten Staaten« aufnehmen? Können angesichts der sich abzeichnenden neuen Weltordnung diejenigen Länder wirklich noch straffrei ausgehen, in denen Homosexualität strafrechtlich verfolgt wird und gleichgeschlechtliche Hochzeiten nicht möglich sind?

»Humanitäre« Einsätze werden also in Zukunft an der Tagesordnung stehen - und jeden souveränen Staat kann es treffen. Gestern Grenada, Panama, Afghanistan, Sudan und Serbien, morgen vielleicht schon Südafrika, Zypern, Pakistan, Frankreich und Brandenburg? Ja, ganz recht! Verschiedene Städte Südfrankreichs, in denen die Front National den Bürgermeister stellt, und in Deutschland, wo sogenannte rechtsradikale Hochburgen bestehen sollen, so angeblich in Brandenburg und in Magdeburg, sind dem US-amerikanischen Nachrichtenmagazin Time zufolge bereits als mögliche Angriffsziele auf der Abschußliste markiert.

Was die Interessenvertreter der NATO, allen voran die Amerikaner, derzeit planen und durchführen, läuft auf reine globale Machtpolitik hinaus: Weltweite Aufdrängung ihrer Wertordnung und Durchsetzung der eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen durch militärische Interventionen. Das ehemals nordatlantische Verteidigungsbündnis ist zu einem globalen Interventionsverband verkommen, der alle freiheitsliebenden Völker bedroht - unabhängig ihres Kulturerbes oder ihrer geographischen Lage. Die neue NATO-Doktrin gleicht einem Freibrief zur weltweiten Einmischung, an deren Ende eine neue Weltordnung steht - falls sich diese Globalstrategie durchsetzt. Aber wer sollte sich ihr schon wirksam widersetzen?

Dr. Claus Nordbruch

 

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