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Islamistischer Terror - Wahrheit oder Fiktion?

 

In Deutschland tobt der Kulturkampf. Islamistische Terroristen und Gewalttäter beherrschen Straßen und Plätze und zwingen den Staat in die Defensive - jedenfalls, wenn man Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble glaubt. Der islamistische Terrorismus bilde einen Schwerpunkt "als die nach wie vor größte Bedrohung für Stabilität und Sicherheit in Deutschland wie Europa", erzählte der anläßlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2007. Das war zwar schon im Mai 2008. Aber bis jetzt haben sich anscheinend nur Wenige die Mühe gemacht, diese Behauptungen einmal anhand von Schäubles eigenem Verfassungsschutzbericht zu überprüfen. Deswegen habe ich das hier jetzt einmal nachgeholt.

Der islamistische Terror steht dem deutschen Staat bis zum Hals. "Dass es bis zum heutigen Tag in Deutschland nicht zu Attentaten durch islamistische Terroristen gekommen ist, weil die Vorbereitung von Anschlägen rechtzeitig aufgedeckt wurde, ist der professionellen und umsichtigen Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden, auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und – gerade im vergangenen Jahr – der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Partnerdiensten zu danken", prahlte der Chef dieser Institutionen, Wolfgang Schäuble, anläßlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2007 am 15. Mai 2008.

Es war also mal wieder haarscharf für Deutschland und seine Bürger: "Im vergangenen Jahr haben die Sicherheitsbehörden durch die Festnahme der 'Sauerland-Gruppe' vermutlich schwere Anschläge rechtzeitig vereitelt. Die sichergestellten Chemikalien hätten für den Bau von Bomben gereicht, deren Wirkung noch verheerender gewesen wäre als die Anschläge von Madrid und London."

Wer's glaubt. Davon, daß diese Gruppe am Gängelband von Geheimdiensten operierte (siehe der Kritische Jahresrückblick 2007), einmal abgesehen: Wo es Terrorismus gibt, gibt es normalerweise auch ein terroristisches Umfeld. Oder anders ausgedrückt: Terroristische Straftaten entstehen nicht aus dem Nichts heraus. Diese äußerste Form politischer Gewalt ist normalerweise nur die Spitze eines Eisbergs aus "sonstiger politischer Gewalt" - sagen wir gewalttätigen Demonstrationen, Brandstiftungen, Steinwürfen, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen (Autos, Schaufenster), Widerstandshandlungen (gegen die Staatsgewalt) und anderem mehr.

Ein Terrorist ist jemand, so haben wir bisher gelernt,  der sich aus einem ohnehin schon militanten Umfeld oder einer Massenbewegung heraus weiter militarisiert, schließlich in den Untergrund geht und von dort aus regelrechte militärische Operationen ausführt. So war das jedenfalls in der Vergangenheit, wobei der Staat im einen oder anderen Fall noch kräftig nachhelfen mußte, damit sich jemand zum bewaffneten Kampf entschloß. Wer durch friedliche und schließlich auch gewalttätige Demonstrationen nichts mehr erreichen zu können meinte, der wurde schließlich zum Terroristen - wenn überhaupt. Wobei selbst aus den radikalen Massenbewegungen in der Vergangenheit in der Regel nur eine Handvoll Terroristen hervorgegangen ist.

Daß Terrorismus fast ohne jeden militanten Hintergrund entsteht, ist dagegen äußerst unwahrscheinlich. Und doch erleben wir dieses Wunder im Verfassungsschutzbericht von Wolfgang Schäuble für das Jahr 2007. Dort gibt es zwar ausführliche Auflistungen und Aufschlüsselungen rechts und links motivierter Straftaten. Zum Beispiel zählt der Verfassungsschutzbericht 17.607 "rechtsextreme" und 5866 "linksextreme" Straftaten auf. Da sich der Staat immer die Statistiken macht, die ihm am meisten nützen, mag zwar auch das bereits übertrieben sein. Aber in Sachen "islamistischer Militanz" heißt es völlige Fehlanzeige. Straftaten aus diesem Bereich werden in dem Verfassungsschutzbericht nicht einmal gesondert aufgezählt. Vielmehr fallen sie unter die Rubrik "Politisch motivierte Ausländerkriminalität". Und da zählt der Verfassungsschutzbericht gerade mal 902 Straftaten - wohlgemerkt aus allen Bereichen der politisch motivierten Ausländerkriminalität. Das heißt, daß die Zahl "islamistisch motivierter" Straftaten so gering sein muß, daß eine gesonderte statistische Erfassung entweder nicht möglich ist oder sich nicht lohnt. Laut Verfassungsschutzbericht von Schäuble existiert ein islamistisches Gewaltproblem hierzulande also überhaupt nicht. Wo also soll dann erst der "Ischlamischtische Terror" herkommen? Ohne den inszenierten Fall Oberschlehdorn stünde Schäuble praktisch ganz ohne islamistischen Terror da.

Des weiteren versteht man unter Terrorismus ja nicht einen Steinwurf hier oder dort, sondern schwere Straftaten, wie zum Beispiel Mord. Für das Jahr 2007 zählt der Verfassungsschutzbericht aber kein einziges vollendetes Tötungsdelikt aus dem Bereich politisch motivierter Ausländerkriminalität auf. Übrigens auch nicht aus den Bereichen rechts- und linksextremistischer Gewalt (hier gab es jeweils ein versuchtes Tötungsdelikt). Das heißt, daß jedenfalls nach diesem Verfassungsschutzbericht niemand durch politisch motivierte Gewalt in Deutschland zu Tode gekommen ist - weder von rechts oder links, noch aus dem Bereich politisch motivierter Ausländerkriminalität. Und dabei reden wir hier immerhin von einem 80-Millionen-Staat, in dem die verschiedensten politischen Gruppen und Nationalitäten zusammenleben.

Verblüffend, nicht wahr? Harte Zahlen hat das Bundesinnenministerium über den islamistischen Terror also nicht zu bieten. Trotzdem suggeriert das Innenministerium den Ausnahmezustand. Den "Ischlamischtischen Terror" hatte Schäuble ganz an den Anfang seiner Vorstellungsrede zum Verfassungsschutzbericht 2007 gestellt - obwohl das die Zahlen in seinem eigenen Bericht überhaupt nicht hergeben.

Das gesamte Terrorismus-Konstrukt in diesem Bericht beruht vor allem auf angeblichen "Bestrebungen", also Absichten oder Plänen,  und "Verdachtsfällen", also dem, was sich die Behörden bei irgendwas denken.

Die entsprechenden Kapitel heißen:

·               Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle

·               Linksextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle

·               Islamistische/islamistisch-terroristische Bestrebungen und Verdachtsfälle

Bezeichnenderweise führt der Bericht auch keine Statistiken über die Zahl der Ermittlungen nach den "Terrorismus-Paragraphen" 129, 129 a und b über die Bildung einer "Terroristischen Vereinigung" auf.

Da muß man schon andere Quellen bemühen. Die Wahrheit ist: 2007 wurden bei der Bundesanwaltschaft gerade mal 62 Verfahren nach Paragraph 129, 129 a oder b eingeleitet oder von ihr übernommen (ohne "Rechtsterrorismus"). Und ob die 103 Beschuldigten aus diesen Verfahren nun wirklich Terroristen sind, ist fraglich, denn das sind  ja nur Ermittlungsverfahren, also Verdachtsaktionen der Behörden. In der Regel bleibt von den Vorwürfen gerade in Terrorismusverfahren vor Gericht nicht viel übrig.

Nichts da, meint Schäuble: "Der unverändert hohen Bedrohung durch den gewaltbereiten islamistischen Terrorismus müssen wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegentreten."

Na, dann...

Gerhard Wisnewski

 

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