Die NATO als Instrument der Globalisierer
Ein neues Strategiepapier und der »German Marshall
Fund«
Am
28. Januar 2008 stand im britischen Guardian zu
lesen, daß ein von führenden NATO-Offizieren
verfaßtes vertrauliches Manifest aufgetaucht ist,
in dem diese fordern, der Westen müsse sich eine
neue globale Strategie zulegen, um sowohl mit
atomaren als auch anderen Massenvernichtungswaffen
Präventivschläge gegen den immer brutaler
auftretenden Terrorismus in der Welt zu führen.
Nachdem es bereits dem Pentagon und dem
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer
unterbreitet worden war, würde dieses Manifest nun
bei der im April stattfindenden NATO-Konferenz in
Bukarest zur Diskussion gelangen. Darin warnen die
Autoren General John Shalikashvili (ehemaliger
Vorsitzender der vereinten US-Generalstabschefs
und Oberkommandierender der NATO in Europa),
General Klaus Naumann (Generalinspekteur der
Bundeswehr von 1991 bis 1996 und anschließend bis
1999 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses),
General Henk van den Breemen (ehemaliger
holländischer Generalstabschef), Admiral Jacques
Lamxade (ehemaliger französischer
Generalstabschef) sowie Feldmarschall Lord Inge
(ehemaliger britischer Generalstabschef) – die
Elite also dieser dem Kommando der USA
gehorchenden multinationalen Mischtruppe – vor der
mangelnden Bereitschaft des Westens, neuen
Bedrohungen und Herausforderungen entschlossen
entgegenzutreten, die sich nach den Ereignissen
des 11. September 2001 ergeben hätten.
Obwohl sich die Werte und auch die Lebensweise
unserer westlichen Zivilisation in höchster Gefahr
befänden, mangele es unserer westlichen
Wertegemeinschaft am nötigen Willen – so die fünf
Fünfbesternten – diese zu verteidigen. Es gelte,
folgenden Bedrohungsszenarien unbedingt vorbeugend
zu begegnen:
– dem politischen Fanatismus und religiösen
Fundamentalismus,
– dem internationalen Terrorismus, dem
organisierten Verbrechen, der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen,
– der Erderwärmung und Energieversorgungskrisen,
die Verdrängungskämpfe und Wanderbewegungen von
gewaltigen Menschenmassen auslösen würden,
– der Schwächung der Wehrfähigkeit von nationalen
Armeen sowie der UNO, NATO und der EU.
Um diesen Gefahren zu begegnen, wollen die fünf
Offiziere ein Umdenken im NATO-Entscheidungsprozeß
herbeiführen und fordern deshalb ein neues
»Direktorium«, das aus amerikanischen und
europäischen Entscheidungsträgern zusammensetzt
ist, über die volle Entscheidungsgewalt verfügt
und jede Art von Quertreibereien seitens der EU
oder interne Querelen innerhalb der NATO außer
Acht lassen kann. Weiters fordern sie:
– statt Einstimmigkeit nur noch Anerkennung des
Mehrheitsprinzips bei allen Abstimmungen,
– Abschaffung jeglichen nationalen Einspruchrechts
gegenüber Entscheidungen der NATO,
– keine Mitbestimmung für Mitglieder, die an den
NATO-Einsätzen nicht teilnehmen,
– NATO-Militäreinsätze auch ohne Genehmigung des
UNO-Weltsicherheitsrates, wenn es um den Schutz
von Menschenleben geht.
Wörtlich heißt es in dem Beitrag: »Im Zuge der
scharfen Kritik, die der amerikanische
Verteidigungsminister Robert Gates gegenüber
einigen Mitgliedern auf Grund ihrer schwachen
Leistungen im Kampf gegen den Terrorismus in
Afghanistan erhoben hatte, bemängelten auch die
fünf genannten Generäle, hier stehe überhaupt die
Glaubwürdigkeit der NATO auf dem Spiel, ja sogar
ihr Versagen sei nicht mehr auszuschließen. In der
Kritik gegen sein eigenes Land tat sich besonders
Naumann hervor: Es sei jetzt die Zeit gekommen, da
Deutschland entscheiden muß, ob es als Partner
noch ernstgenommen werden will. Mit ihrem Beharren
auf Extrawürsten für ihr Kontingent im Norden
Afghanistans würde die deutsche Regierung zur
Auflösung der NATO beitragen. Naumann gibt zu, daß
der atomare Erstschlag sogar unter den fünf
genannten Generälen nicht unumstritten ist, doch
bilde diese Option ein zentrales Element in den
Überlegungen der NATO-Strategen, auch wenn einige
von ihnen dies nicht offen bekennen wollen.«
Soweit im großen und ganzen der Bericht des
britischen Guardian, wäre da nicht der folgende
Absatz, dem der Leser auf den ersten Blick wenig
Aufmerksamkeit schenkt: »Ron Asmus, Direktor des
›German Marshall Fund‹ in Brüssel und ehemals
hoher Beamter im US-Außenministerium, bezeichnet
dieses Manifest als einen Alarmruf zur rechten
Zeit, denn hier hätten führende NATO-Generäle zum
Ausdruck gebracht: ›We are in trouble (Wir stecken
in Schwierigkeiten), der Westen läßt sich treiben
und stellt sich nicht den Herausforderungen‹.«
Wer oder was versteckt sich hinter diesem
»deutschen Fonds«?
Auf seiner Netzseite stellt sich dieser als
»German« bezeichnete »Marshall Fund« und dessen
Brüsseler Büro, das von einem Amerikaner geleitet
wird, als wichtiges Hilfsmittel des
transatlantischen Dialogs im Herzen Europas dar,
wobei Ron Asmus großes Verständnis für die
europäische Politik attestiert und sein reicher
Erfahrungsschatz in europäischen Angelegenheiten
hervorgehoben wird. Diese Fähigkeiten seien im
ständigen Kampf um die Erweiterung und Ausbreitung
von NATO und EU in alle Himmelsrichtungen
unverzichtbar, vor allem im Hinblick auf die
gemeinsame Politik der USA und Europas in Sachen
Türkei, Ukraine, Schwarzmeer-Region und des
»Erweiterten Nahen Ostens«. Der »German Marshall
Fund« wird im Internet als eine 1972 gegründete
amerikanische Einrichtung vorgestellt, mit dem
Ziel, eine engere Zusammenarbeit und ein besseres
Verständnis zwischen den USA und Europa
herbeizuführen. Finanziert wird diese Institution
von Deutschland, aus Dankbarkeit für und im
Gedenken an den amerikanischen Marshall-Plan.
Neben seinem Hauptquartier in Washington unterhält
dieser Fonds Zweigstellen in Berlin, Brüssel,
Paris, Bratislava (!), Belgrad (!), Bukarest (!)
und Ankara (!).
Freude kommt beim deutschen Steuerzahler auf, wenn
er aus der Netzseite dieses »German« Fonds
erfährt, daß dieser sich für den EU-Beitritt der
Türkei einsetzt, denn sie sei die einzige
Demokratie in der islamischen Welt, erfülle
deshalb eine Brückenfunktion von Europa hinüber
nach Asien und stelle auf Grund ihrer
geostrategischen Lage einen großen Gewinn für EU
und NATO dar. Noch mehr Freude kommt beim
zuwanderungsgeplagten deutschen Michel auf, wenn
er über die Förderung von vielerlei Migrations-
und Integrationsprogrammen durch den »German
Marshall Fund« liest, und richtige Jubelstimmung
breitet sich bei den EU-europäischen
Spitzennettozahlern angesichts einer Studie des
»German Fund«-Direktors Ron Asmus zur Frage der
Aufnahme Israels in die EU und in die NATO aus,
eine Forderung, die von ihm, trotz einiger Skepsis
gegenüber so manchen noch zögernden und sich
zierenden Europäern, aus ganzem Herzen unterstützt
wird.
Hier einige seiner Argumente: Immer stärker würde
sich der Schwerpunkt der Euro-Atlantischen
strategischen Allianz in den »Erweiterten Nahen
Osten« verlagern, wo das größte Gefahrenpotential
lauert: Das Netzwerk der Al Qaida sei noch längst
nicht zerstört, Rußland schlage einen
antidemokratischen Kurs ein, und in Weißrußland
herrsche ein Diktator. Brüssel habe die volle
Integration der Türkei in die EU beschlossen, um
sowohl ihren Einfluß östlich des Schwarzen Meeres
zu verstärken als auch den Demokratisierungsprozeß
in der Ukraine voranzutreiben. Es sei jetzt im
gegenseitigen Interesse Israels, der EU und der
USA, sich im Krieg gegen den Terror enger
aneinander zu schließen, um den tödlichen Gefahren
zu begegnen, die von fundamentalistischen
Ideologien ausgehen, deren Anhänger nicht davor
zurückschrecken würden, Massenvernichtungswaffen
einzusetzen. Die Gefahr für Israels Sicherheit,
aber auch für die Sicherheit der USA und der
EU-Staaten, die von dem nuklear gerüsteten Iran
und dem vielleicht bald ebenso gerüsteten Ägypten
ausgehen, seien zwingende Argumente für eine
Eingliederung des Zionistenstaates in EU und NATO.
Truppen der Allianz könnten Israels Grenzen
beschützen und im Gaza-Streifen für Ordnung
sorgen. Dies würde in Israel das Gefühl der
Isolation mindern, seinen Bürgern im Falle
militärischer Auseinandersetzungen mit seinen
Nachbarn ein Gefühl zusätzlicher Sicherheit
vermitteln, Zugang zu neuen Märkten erschließen
und die Stabilität ihrer Währung gewährleisten.
Eine Partnerschaft Israels mit NATO und EU wäre
ein eindeutiges Signal an alle Staaten des
»Erweiterten Nahen Ostens«, daß die
Euro-Atlantische Allianz nunmehr offen für Israel
Partei ergriffen hat. Dies würde weder zu einer
weiteren Radikalisierung führen noch Ausbrüche von
neuen antiwestlichen Feindseligkeiten nach sich
ziehen, sondern die widerspenstigen Völker und
Herrscher in der Region davon überzeugen, daß sich
der Widerstand gegen »Democracy«, den liberalen
»way of life« und westliche Werte niemals
auszahlt.
Der politisch halbwegs informierte deutsche
Medienkonsument wird angesichts dieser eindeutig
globalisierungsfreundlichen Ziele des »German«
Fonds kaum verwundert sein, auf dieser Netzseite
unter seinen vielen »Partnern« und Förderern die
folgende Namen zu finden: Die Bertelsmann
Stiftung, das Council on Foreign Relations, die
ERSTE Stiftung (aus dem neutralen Österreich!),
das deutsche Innenministerium, die Heinrich
Böll-Stiftung (mit dem Beinamen: »die Grüne
politische Stiftung!«), die Konrad
Adenauer-Stiftung, die Rockefeller Foundation und
eine ganze Reihe weiterer Einrichtungen, deren
ehrenwerte Führungs-»Eliten« sich wohl schon von
Davos, vom Forum Alpbach und von den
Bilderberger-Treffen her kennen.
Es stellt sich die Frage, ob die politisch
korrekten Entscheidungsträger der genannten und
ungenannten Partner und Förderer der
Globalisierung bereit gewesen wären, ihre vielen
Millionen an Spendengeldern in diese Werbe- und
Hilfsorganisation von NATO und EU zu versenken,
wenn sie vorher Kenntnis von deren geheimen
Kriegsplänen und angedachten präventiven atomaren
Erstschlägen erlangt hätten? Wußten sie denn
wirklich nicht Bescheid? Doch jetzt wissen sie
Bescheid! Werden ihre Millionen trotzdem weiter
fließen? Eine Gewissensfrage; doch wo spielt
Gewissen heute noch eine Rolle? Die alten Römer
hatten es da besser, denn sie konnten sich auf
eine fähige und zuverlässige Regierung verlassen:
»Videant consules ne quid res publica detrimenti
capiat« (Mögen die Consuln danach sehen, daß der
Republik kein Schaden erwachse). Doch wer und wo
sind heute die »Consules«, die willens und fähig
wären, unsere Republik vor Schaden zu bewahren?
Eine warnende Stimme aus den USA
Selbstverständlich ist auch in den USA das »rein
zufällige Auftauchen« dieses NATO-Strategiepapiers
nicht unbemerkt geblieben. In der American Free
Press vom 11. Februar nimmt sich der amerikanische
Publizist Mark Glen dieses Themas an: »Es war zu
erwarten, daß die neokonservativen Kriegstreiber
und ihre Hintermänner alles in ihrer Macht tun
würden, um den aus den ›National Intelligence
Estimates‹ (nationalen Geheimdienstauswertungen –
NIE) gewonnenen Erkenntnissen, der Iran produziere
keine Kernwaffen, mit allen Mitteln entgegentreten
würden, auf daß sie den von ihnen seit langem
geplanten Krieg gegen den Perserstaat endlich
umsetzen können.« Die Kriegstreiber in den USA und
Israel hätten klargestellt, die Erkenntnisse des
NIE seien bedeutungslos, denn ein von fanatischen
Mullahs regierter und nuklear gerüsteter Iran
würde unweigerlich die Entscheidungsschlacht
Armageddon nach sich ziehen. In seiner Rede zur
Lage der Nation schloß sich Präsident Bush dieser
Meinung an: »Wir werden auf jeden Fall unsere
überlebenswichtigen Interessen im Persischen Golf
schützen!« Wobei die Frage sicher berechtigt ist,
wie sich denn Amerika verhalten würde, wenn
iranische Kriegsschiffe im Golf von Mexiko
kreuzten, um dort die »lebenswichtigen Interessen«
des Iran zu schützen?
Zuguterletzt hat sich auch Norman Podhoretz, einer
der ärgsten neokonservativen Kriegshetzer, zu Wort
gemeldet und zugegeben, er würde täglich dafür
beten, daß Bush noch vor dem Ausscheiden aus
seinem Amt den Iran vernichtet. Deshalb fordert er
in einem Beitrag für das neokonservative
Commentary Magazine, Präsident Bush möge endlich
den Iran angreifen, und wenn er es nicht täte,
dann müsse dies der nächste Präsident schleunigst
tun. Podhoretz beschreibt ein apokalyptisches
Szenario, in dem der von finsteren Mullahs
beherrschte Iran eine latente Bedrohung für das
friedliche Israel darstellt, dem die USA
bedingungslos beistehen müßten.
Als hätte John McCain, wahrscheinlich der nächste
US-Präsident, den Ruf des Podhoretz vernommen,
schrieb er Ende Februar 2007 in der Washington
Post: »Den echten Beweis für den gerechten Einsatz
unserer Streitmacht und für unsere hinter diesem
stehenden moralischen Beweggründe ist dadurch
erbracht, daß wir nicht nur den Irak von einer
Diktatur befreit haben, sondern dem irakischen
Volk dabei helfen, eine demokratische (!) Zukunft
zu sichern. Das ist der Beweis, daß wir kein
Imperium erschaffen wollen, sondern unsere Macht
ausschließlich zu moralischen Zwecken benützen.«
Das irakische Volk läßt grüßen!
Tagtäglich und getreu ihrem Auftrag verkünden uns
Politiker und Medien der Großen Einheitspartei der
Politischen Korrektheit voller Optimismus, wir
lebten in der besten aller Welten. Während
eingefleischte Pessimisten überzeugt sind, dies
könnte sogar stimmen, müssen wir Skeptiker die
Frage stellen, ob angesichts des Desinteresses an
seinem Schicksal, seiner Bereitschaft zur
Unterwerfung unter eine bald siebzig Jahre
dauernde Fremdherrschaft und seines stets
vorauseilenden Nachgebens gegenüber allen
Forderungen, es sei denn, diese erfolgten im
eigenen nationalen Interesse, es ungerecht und
übertrieben wäre, zu behaupten, wir lebten in
einer Zeit, da der deutsche Michel regelrecht
darum bettelt, endgültig abgeschafft zu werden.
Richard Melisch
Über den Autor:
RICHARD MELISCH ist 1934 in Paris geboren,
wohin es seinen Vater, einen ehemaligen k.u.k.
Offizier, nach dem Ersten Weltkrieg verschlagen
und wo dieser eine Pariserin geheiratet hatte. Die
Schulbänke hat er in Paris und Graz gedrückt.
Einige Jahre verbrachte er in Brasilien, in
Hamburg und in Nordamerika. 1963 wird er von einem
österreichischen Unternehmen nach Beirut
entsendet, wo ihm die Vertretung für die
arabischen Länder des Nahen Ostens übertragen
wird. Nach 12 Jahren machte er sich selbständig.
19 Jahre lang hat er von Beirut aus die
umliegenden arabischen Länder bereist und 11 Jahre
von Dubai und Kuwait aus die Golfstaaten.
Buchempfehlungen:
Melisch, Richard: Pulverfaß Nahost im Rückblick
und Ausblick. 448 S., Broschur, 19,00
(Art.-Nr. 101129)
Melisch, Richard: Der letzte Akt – Die
Kriegserklärung der Globalisierer.
380 S., Klappenbroschur, 55 Abb., 19,80 (Art.-Nr.
103880). Zu beziehen über den DS-Buchdienst,
Postfach 100 068, 01571 Riesa, Tel.: 03525/5292-0,
Fax: -23, E-Post: bestellung@ds-verlag.de
Über das Buch „Der letzte Akt – Die
Kriegserklärung der Globalisierer“
http://franken-buecher.de/letzte-kriegserklaerung-globalisierer-buch-3897.html
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