Apokalypse jetzt!
Washington und Polen haben die Welt dieser Tage dem Krieg
einen Schritt näher gebracht
Dass
die Regierungen der USA und Polen am 14. August
ein Abkommen unterzeichnet haben, wonach auf
polnischem Boden US-»Abfangraketen« stationiert
werden sollen, ist der gefährlichste Schritt zu
einem Atomkrieg seit der Kuba-Krise 1962. Dies ist
alles andere als ein defensiver Akt zum Schutz der
europäischen NATO-Staaten vor einem russischen
Atomangriff, denn diese US-Raketen in Polen
stellen für die zukünftige Existenz der russischen
Nation eine existentielle Bedrohung dar, wie
Militärstrategen auch schon betont haben. Die
russische Regierung hat wiederholt vor diesem
Schritt gewarnt, seitdem die US-Pläne erstmals
Anfang 2007 bekannt gemacht wurden. Trotz
vielfacher diplomatischer Versuche Russlands, sich
mit den USA in dieser Frage zu verständigen, hat
die Bush-Regierung direkt nach der erniedrigenden
Niederlage für Washington in Georgien die
polnische Regierung bedrängt, endlich diesen
Vertrag zu unterzeichnen. Das könnte für Europa
und die ganze Welt undenkbare Konsequenzen haben.
Die polnischen Raketen sind eine direkte Bedrohung der
Sicherheit Russlands und beschwören die
Möglichkeit eines präemptiven Krieges herauf.
Der vorläufige Vertrag zur Stationierung einiger Elemente des
globalen amerikanischen Raketenabwehrsystems wurde
von Polens stellvertretendem Außenminister Andrzej
Kremer und US-Chefunterhändler John Rood am 14.
August unterzeichnet. Gemäß diesem Vertrag plant
Washington die Stationierung von zehn
Abwehrraketen in Polen in Zusammenhang mit der
Errichtung entsprechender Radaranlagen in der
Tschechischen Republik. Diese Installationen, so
die lächerliche Behauptung Washingtons, dienten
der Abwehr möglicher Raketenangriffe von
sogenannten »Schurkenstaaten«, darunter auch dem
Iran.
Um Polens Unterschrift unter diesen Vertrag zu bekommen,
stimmte Washington zu, die polnische
Luftverteidigung zu verstärken. Dieser Vertrag
muss allerdings noch von den Regierungen beider
Länder und dem polnischen Parlament gebilligt
werden. Polens Ministerpräsident Donald Tusk
erklärte im polnischen Fernsehen, dass »die
Ereignisse im Kaukasus deutlich machen, dass
solche Sicherheitsgarantien unerlässlich sind«.
Die amerikanisch-polnischen Gespräche über die
Stationierung dieser Raketenstellungen hatten sich
in den vergangenen Monaten immer mehr in die Länge
gezogen – bis zu den kürzlichen Feindseligkeiten
in Georgien, die das schlagartig änderten.
Dona Perino, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, erklärte
offiziell im Namen von Präsident Bush: »Wir
betrachten die Raketenabwehr als substanziellen
Beitrag zur kollektiven Sicherheit der NATO.«
US-Regierungsstellen erklärten, die
Raketenabfangstellung in Polen solle etwa 2012 in
Dienst gestellt werden. Bereits am 8. Juli d.J.
hatte die Tschechische Republik einen Vertrag zur
Installation amerikanischer Radaranlagen auf ihrem
Territorium unterzeichnet.
Die Unterzeichnung dieser Verträge bedeutet, dass sich die
Spannungen zwischen Russland und der NATO mit
Sicherheit verschärfen werden, und dass mit Macht
ein neues Wettrüsten wie im Kalten Krieg einsetzt.
Für unsere Leser ist es wichtig zu verstehen – wie
ich in meinem Buch
Apokalpyse jetzt!
detailliert und sorgfältig darlege –: wenn einer
der beiden Gegner in der Lage ist, innerhalb einer
90-Meilen-Zone vom jeweiligen »Territorium«
Stellungen selbst mit einer Batterie von
primitiven Anti-Raketen-Raketen der ersten
Generation zu stationieren, wird dieser praktisch
zum Gewinner des nuklearen Machtgleichgewichts.
Damit ist die andere Seite gezwungen, entweder
bedingungslos zu kapitulieren oder ihrerseits
präventiv zu reagieren und noch vor dem Jahre 2012
einen Atomangriff in Gang zu setzen. Langjährige
russische Parlamentarier erklärten am Freitag, das
Abkommen zwischen den USA und Polen gefährde die
Sicherheit in Europa; sie bekräftigten, Russland
werde jetzt Schritte unternehmen, seine Sicherheit
zu gewährleisten.
Laut Andrej Klimow, dem stellvertretenden Vorsitzenden des
außenpolitischen Ausschusses des russischen
Parlaments, wurde der Vertrag in der Absicht
geschlossen, Warschaus »Loyalität gegenüber
Washington zu demonstrieren und materielle
Vorteile zu erzielen. Die Amerikaner haben jetzt
die Gelegenheit, ihre militärische Präsenz auf die
ganze Welt auszudehnen und sich näher an Russland
heranzutasten. Für die NATO bedeutet das ein
zusätzliches Risiko …, viele NATO-Länder sind über
diesen Vertrag nicht glücklich, darunter
Deutschland und Frankreich.«
Klimow nannte das Abkommen einen »Schritt zurück« zum Kalten
Krieg.
Die russische Antwort
Vertreter der russischen Regierung hatten vorher erklärt,
Moskau könne seine taktischen
Iskander-Raketen
und Langstreckenbomber nach Weißrussland und
Russlands westlichster Enklave Kaliningrad
(Königsberg) verlegen, falls Washington mit seinen
Plänen für einen Raketenschild in Europa Erfolg
habe. Außerdem könnten, so die Warnung aus Moskau,
russische Raketen Polen ins Visier nehmen.
Darüber hinaus könne Russland als Antwort auf die Pläne der
USA, Raketenabfangstellungen in Zentraleuropa zu
errichten, ein System von Interkontinentalraketen
im Weltraum stationieren, erklärte ein
langjähriger russischer Militärexperte am letzten
Donnerstag.
Die USA planen, im Zuge ihres geplanten Raketenschildes für
Europa und die USA gegen potenzielle Angriffe von
»Schurkenstaaten« – inklusive dem Iran – eine
Radaranlage in der Tschechischen Republik und zehn
Abfangraketen im Norden Polens zu stationieren.
Russland wendet sich vehement gegen die
Installation dieser Raketenabfangstellungen, da
sie diese als Bedrohung ihrer nationalen
Sicherheit auffasst.
»Man könnte ein Programm realisieren, Interkontinentalraketen
im Weltraum zu stationieren, die über den Südpol,
also unter Umgehung amerikanischer
Luftverteidigungsanlagen, das Territorium der USA
erreichen können«, erklärte Generaloberst Viktor
Yesin, der ehemalige Stabschef der Russischen
Strategischen Raketeneinheiten und jetzige
Vizepräsident der Russischen Akademie für
Sicherheit und Verteidigung. In seiner aktiven
Zeit, so Yesin, habe die damalige Sowjetunion im
Zuge des Abkommens zur strategischen Abrüstung
(START I) derartige Raketen außer Dienst gestellt.
Da es sich bei der Stationierung dieser
US-Raketenstellungen in Zentraleuropa aber noch um
Pläne handele, solle Moskau mit derartigen
militärischen Planspielen »Europa derzeit nicht
beunruhigen«, erklärte Yesin abschließend.
Auch Obama unterstützt den Raketenschild
Die Realisierung dieser US-Pläne würde die europäischen
Länder noch stärker als bisher aufteilen: in die
Staaten, die Obamas außenpolitischer Berater
Zbigniew Brzezinski als »Vasallen« der USA
bezeichnet, und die Staaten, die einen
unabhängigeren politischen Kurs verfolgen.
Jede Illusion, eine US-Präsidentschaft unter dem Demokraten
Obama werde die provokativen Schritte der NATO und
des US-Militärs der letzten Jahre rückgängig
machen, sollte als gefährliches Wunschdenken
verworfen werden. Zu Obamas außenpolitischer
Mannschaft gehört neben Vater Zbigniew Brzezinski
auch dessen Sohn Ian, der zurzeit als
Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium für
die Bereiche Europa und die NATO zuständig ist.
Ian Brzezinski ist nicht nur ein erklärter
Verfechter des US-Raketenschildes, sondern er
setzt sich auch ebenso vehement für die
Unabhängigkeit des Kosovo sowie die Ausweitung der
NATO in die Ukraine und nach Georgien ein.
F. William Engdahl
http://info.kopp-verlag.de
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