Zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen
am 24. Januar 1712
1947 lösten die
alliierten Siegermächte mit dem
Kontrollratsgesetz 46 den Staat Preußen auf. Im
Dekret hieß es: „Der Staat Preußen, der seit
jeher Träger des Militarismus und der Reaktion
in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit
zu bestehen aufgehört.“ Damit siegten die
staatsfeindlichen Mächte des Liberalkapitalismus
und Kommunismus über Preußen als Hort des
idealistischen Staatsgedankens.
Warum haßten die inneren und äußeren Feinde
Deutschlands dieses Preußen so sehr? Nun, weil
Preußen dem Deutschen Reich zur Wiedergeburt
verholfen hatte und ein Staats- und
Pflichtbewußtsein geschaffen hatte, das in der
Welt seinesgleichen suchte.
Der Publizist Reinhold
Wulle faßte dies 1935 in die Worte: „Preußentum
ist eine Haltung geworden, ein Lebensstil, eine
Ausdrucksform des Deutschtums, ist ein ewiges
Bereitsein, ein ewiges Gefährdetleben. Es ist
ein Auftrag, der nie zu Ende geht, der jeden Tag
neu geboren wird. Nicht der Erfolg der Arbeit
als Ruhm oder Genuß bestimmen das Leben, sondern
der Rang. Der Lohn für Pflichterfüllung ist die
Rangerhöhung, die Erhöhung der Verantwortung.
Der Preuße nimmt die Arbeit als Auftrag und
nicht als Last. Die Preußen tragen des Königs
Rock. Welch eine Staatsauffassung liegt in
diesem Wort. Diener des Staates sind alle, und
der König ist der erste. Es ist eine
Gemeinschaft, dieses Volk, ein ‚Wir‘.“
Ich will hier nicht die
biographischen Daten Friedrichs II., des Großen,
herunterbeten, sondern den preußischen Geist
greifbar machen, den er so sehr verkörperte. Die
Lebensgeschichte des Preußenkönigs schafft es
mittlerweile als Titelgeschichte selbst in den
„Spiegel“ (45/2011), wo er als „der populärste
Herrscher der Deutschen“ bezeichnet wurde.
Preußische Wehrhaftigkeit
Eine stimmige Erklärung
für das preußische Staatsbewußtsein gab der
preußische Kadettenschüler, Freikorpskämpfer und
Nationalrevolutionär Ernst von Salomon. In
seinem Buch „Der Fragebogen“ stellte er fest:
„Ein Blick auf die Karte Preußens unter
Friedrich Wilhelm I. läßt erkennen, warum gerade
hier der Gedanke des Staates als abstraktes
Gebilde eine so zentrale Bedeutung gewinnen
mußte: ein Gewirr von Länder- und Völkerfetzchen
reichte quer durch den Norden Mitteleuropas, von
Litauen bis ins Bergische Land, zusammenhanglos,
verstreut, durch den Zufall dynastischer
Geburten, Ehen und Todesfälle
aneinandergekoppelt. Keine Landschaft ist
natürlich gesichert, kein Stammestum in
geschlossenen Grenzen geschützt. Der Bestand des
Staates reichte genau so weit, wie in der Brust
des Einzelnen das Bewußtsein des Staates
lebendig war.“
Aufgrund der extremen
Streulage seiner Länder war die Existenz
Preußens also immer bedroht. Es war eingekreist:
in Ost-West-Richtung von Rußland und Frankreich,
in Nord-Süd-Richtung von Schweden und
Österreich. In seinem Politischen Testament von
1752 schrieb Friedrich der Große: „Wie Ihr seht,
macht uns diese geographische Lage zu Nachbarn
der größten europäischen Herrscher. Alle diese
Nachbarn sind ebenso viele Neider oder geheime
Neider unserer Macht.“
Alle diese Nachbarn waren Preußen durch
Bevölkerungsstärke, territoriale Größe und
Wirtschaftspotential überlegen. In einer solchen
Lage konnte nur geballte geistige Energie,
Pflichtdenken und soldatische Selbstlosigkeit
das Land bewahren. Das Bedrohtsein Preußens
zeigte sich im Siebenjährigen Krieg (1756 bis
1763), in dem Friedrich der übermächtigen
Koalition aus Österreichern, Schweden, Russen
und Franzosen gegenüberstand.
Ernst von Salomon stellte
fest: „Preußen hat den Staat gelebt. Es gibt
keinen Augenblick preußischer Geschichte, in
welchem sich nicht, wer immer für Preußen
verantwortlich war, mit dem Staate, mit der Idee
des Staates befassen mußte. Preußen hat jeden
Tag vor harten Wirklichkeiten gestanden. Die
Gefährdung war ebenso ungeheuer wie die Aufgabe.
Da war ein Geheimnis um Preußen, welches eine so
große Reihe von Dokumenten entstehen ließ, zu
denen es sich wohl bekennen läßt, und die alle
von dem eigentümlichen Bewußtsein der Pflichten
handeln, durch die allein die innere, auf sich
selber ruhende Ordnung zu gründen ist. Preußen
hat den Staat gelebt. Dies ist das Erstaunliche:
Das preußische Staatsgefühl hatte dem Einzelnen
nichts zu bieten als strenge Forderungen. Es
verlangte vom Könige, der erste Diener des
Staates zu sein, es wertete niemals Absichten,
immer nur Leistungen, es wahrte nicht Interessen
und Vorteile, sondern Ideen und Formen, es
achtete nicht
auf den Erfolg, sondern auf die Erfüllung.“
Preußisches Staatsethos
Dementsprechend sagte der
„Alte Fritz“ zu seinem Herrschaftsethos: „Dies
sind im allgemeinen die Pflichten, die ein Fürst
zu erfüllen hat. Damit er niemals von ihnen
abirre, muß er sich oft ins Gedächtnis
zurückrufen, daß er ein Mensch ist wie der
Geringste seiner Untertanen. Er ist nur der
erste Diener des Staates. Er ist verpflichtet,
mit Redlichkeit und vollkommener
Uneigennützigkeit zu handeln, als sollte er
jeden Augenblick seinen Mitbürgern Rechenschaft
über seine Verwaltung ablegen. Er macht sich
schuldig, wenn er das Geld des Volkes, den
Ertrag der Steuern in Luxus oder Ausschweifungen
vergeudet, er, dem es obliegt, über die guten
Sitten, die Hüterinnen der Gesetze, zu wachen
und die Volkserziehung zu vervollkommnen, nicht
aber sie durch schlechte Beispiele noch zu
verderben.“
Der Preußenkönig warnte hellsichtig vor solchen
Verhältnissen, die für die politische Klasse der
BRD so typisch sind: „Jeder will Reichtümer
anhäufen, Sie zu erwerben, werden die
rechtswidrigsten Mittel angewandt. Die
Korruption greift um sich, schlägt Wurzeln und
wird allgemein. Die Talente, die sittenreinen
Leute, werden mißachtet, und die Welt ehrt nur
die Bastarde des Midas, die mit ihren
reichlichen Geldausgaben, ihrem Prunk, sie
blenden. Sittenverderbnis, herausfordernde
Freiheit des Lasters, Verachtung der Tugend und
derer, die sie verehren, Eigennutz anstelle des
Gemeinsinns – das sind die Vorboten des Verfalls
der Staaten und des Untergangs der Reiche.“
Preußische Vaterlandsliebe
Vor allem fehlt den
Repräsentanten der Bundesrepublik jeder Funke
von dem Patriotismus, den Friedrich in sich
trug. Er sagte damals: „Ich liebe mein Vaterland
mit Herz und Seele. Meine Erziehung, mein Hab
und Gut, mein Dasein – alles verdanke ich ihm.
Hätte ich tausend Leben, ich würde sie alle mit
Freude opfern, wenn ich ihm dadurch einen Dienst
erweisen oder meine Dankbarkeit bezeugen
könnte.“
Preußisches Pflichtgefühl
Allen Zeitgenossen war
klar, daß Friedrich II. eine politische,
geistige und moralische Ausnahmeerscheinung war.
Nicht in Preußen, sondern im Ausland kam zuerst
die Redensart vom großen König auf: Die
Engländer nannten ihn „The Great“ und die
Franzosen „Frédéric le Grand“.
Der preußische Geist spiegelte sich mustergültig
in der Lebensführung des Monarchen. Um vier Uhr
morgens stand er in Potsdam auf und nahm sich
der Tagesgeschäfte an. Joachim Fernau schrieb
über den Arbeitseifer Friedrichs in seinem Buch
„Sprechen wir über Preußen“: „Es prasselte
Verordnungen, daß den Beamten Hören und Sehen
verging. Er sah alles, hörte alles und bildete
sich ein, alle Welt stünde ebenfalls um vier Uhr
nachts auf. Es herrschte ein Tempo, daß es dem
Ausland den Atem verschlug.“ Dieses
Pflichtbewußtsein bis zur Selbstaufgabe spricht
auch aus Friedrichs Worten: „Es ist nicht nötig,
daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht
tue.“
Preußische Bescheidenheit
Stiller Dienst an der
Gemeinschaft und vornehme Zurückhaltung sind
weitere Grundzüge des Preußentums. Auf eine
berühmte Formel brachte dies Generalstabschef
Alfred von Schlieffen: „Viel leisten, wenig
hervortreten, mehr sein als scheinen.“
Dieses „Mehr sein als
scheinen“ spricht auch aus dem Testament
Friedrichs des Großen. Darin bestimmte er: „Ich
habe als Philosoph gelebt und will als solcher
begraben werden, ohne Pomp, ohne Prunk und ohne
die geringsten Zeremonien. Ich will weder
geöffnet noch einbalsamiert werden. Sterbe ich
in Berlin oder Potsdam, so will ich der eitlen
Neugier des Volkes nicht zur Schau gestellt und
am dritten Tag um Mitternacht beigesetzt werden.
Man bringe mich beim Schein einer Laterne, und
ohne daß mir jemand folgt, nach Sanssouci und
bestatte mich dort ganz schlicht auf der Höhe
der Terrasse rechterhand, wenn man hinaufsteigt
in eine Gruft, die ich mir habe herrichten
lassen.“
Preußische Gerechtigkeit
Auf König Friedrich I.,
den Großvater Friedrichs II., geht der
Leitspruch des Schwarzen Adler Ordens, des
Hausordens der Hohenzollern, zurück: Suum cuique
(„Jedem das Seine“). Jedem das Seine bringt das
preußische Gerechtigkeitsprinzip auf den Punkt.
Während die Kommunisten die Parole „Jedem das
Gleiche“ ausgaben und im Liberalismus das
Lebensmotto „Mir das Meiste“ ist, bekam in
Preußen jeder das, was er sich durch Dienst am
Gemeinwohl verdient hatte.
Unter dem Eindruck des
Weltkrieges verfaßte der konservative
Kulturphilosoph Oswald Spengler seine Schrift
„Preußentum und Sozialismus“. Dort schrieb er:
„Kein ‚Ich‘, sondern ein ‚Wir‘, ein
Gemeingefühl, in dem jeder mit seinem gesamten
Dasein aufgeht. Auf den einzelnen kommt es nicht
an, er hat sich dem Ganzen zu opfern. Hier steht
nicht jeder für sich, sondern alle für alle.
Maximum und Minimum des überpersönlichen
sozialistischen Staatsgedankens, Staat und
Nichtstaat, das sind England und Preußen als
politische Wirklichkeiten. Jeder für sich: das
ist englisch; alle für alle: das ist preußisch.“
Preußens Geisteshaltung und segensreiche Rolle
für ganz Deutschland nahmen die Siegermächte
dann zum Anlaß, Preußen auszulöschen. Unter
diesem Eindruck dichtete am 13. März 1947
Generaloberst Eberhard von Mackensen in einem
alliierten Gefängnis: „Mögt Ihr den preußischen
Staat zerschlagen, Preußen wird hoch aus den
Trümmern ragen. Einer schon wollte uns Preußen
stehlen, doch Preußen lebt zu tief in den
Seelen: Preußen ist weder Volksstamm noch Rasse,
Preußen ist Haltung und niemals Masse, Preußen
ist Pflicht und Immanuel Kant, Preußen ist Treue
zu Volk und Land, Dienen der Sache bis in den
Tod, und Griff zu den Waffen, erst in der Not.“
Aus Friedrich II. wurde Friedrich der Große,
weil er den preußischen Geist wie kein anderer
Vertreter des Hauses Hohenzollern verkörperte.
Wie nötig hätte Deutschland heute eine solche
vaterländische Kraftgestalt…
Jürgen
Gansel, MdL
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