Hans Karl von Diebitsch-Sabalkanski
(russisch:
Иван Иванович Дибич-Забалканский)
Die
Konvention von Tauroggen – vom 30.12.1812 –
zwischen dem preußischen General von York und
dem russischen General von Diebitsch war der
Auftakt für die Befreiungskriege gegen die
französische Vorherrschaft in Europa. Als die
Große Armee Napoleons im Winter 1812 in wilder
Flucht aus Rußland zurückflutete, sollte das
preußische Hilfskorps des Generals York im
Rahmen des noch intakten französischen Korps
Macdonald ihren Rückzug decken. Der russische
General Graf Wittgenstein forderte York auf, mit
seinen Truppen zu ihm zu stoßen. York tat dies
nicht, sondern schloß mit Diebitsch einen
Neutralitätsvertrag. Yorks auf eigene
Verantwortung gefaßter Entschluß machte ihn mit
einem Tage berühmt. Diebitsch aber hatte an dem
epochemachenden Ereignis einen nicht
unerheblichen Anteil. Das Manöver, durch das
sich zuvor Wittgensteins Truppen zwischen York
und Macdonald schoben, geht ganz auf Diebitschs
Rechnung. Er führte als russischer
Bevollmächtigter mit großem Geschick die
Verhandlungen mit York, nachdem er sich
wiederholt mit ihm zwischen den Vorposten
getroffen hatte. Hans von Diebitsch wurde am
3.5.1785 als jüngster Sohn des preußischen
Offiziers Hans Eberhard von Diebitsch auf dem
heimatlichen Gute Groß-Leipe, Kreis Trebnitz,
geboren. 1797-1801 besuchte er das Kadettenkorps
in Berlin. Da der Vater, Hans Eberhard von
Diebitsch, inzwischen russischer Offizier
geworden war, ließ er seinen Sohn für den
russischen Militärdienst freigeben. Hans von
Diebitsch hat sich seinen Weg vom Fähnrich zum
russischen Generalfeldmarschall selbst gebahnt.
Binnen eines Jahres beherrschte er die russische
Sprache. In der Schlacht bei Austerlitz 1805
empfing er die Feuertaufe. 1808-12 widmete er
sich kriegsgeschichtlichen Studien und wurde als
Oberstleutnant in den Generalstab des russischen
Heeres eingereiht. Am 2. Mai 1813 traf er auf
dem Schlachtfeld von Lützen mit York zusammen,
der zu ihm gesagt haben soll: „Sie waren es, der
mich zu einem Schritt bewegte, welcher mir bis
jetzt keinen Lohn gebracht hat, und Napoleon
triumphiert dennoch.“ Das läßt auf den Einfluß
von Diebitsch auf den Abschluß der Konvention
schließen.
Im Hinblick auf die dort bewiesene
Geschicklichkeit sandte ihn Kaiser Alexander
nach Reichenbach in Schlesien, wo es galt, das
schwankende Österreich zu den Verbündeten
hinüberzuziehen. Im Anschluß an den Vertrag mit
Österreich wurde bei der Zusammenkunft der
Monarchen in Trachenberg im Juli 1813 der
Operationsplan entworfen. Diebitsch wurde – erst
achtundzwanzigj ährig – zum Generalleutnant
befördert und zum Generalquartiermeister des 1.
Armeekorps ernannt. An den weiteren Schlachten
nahm er im Verband der Schwarzenbergischen Armee
teil. Während Schwarzenberg nach einer
Niederlage im März 1814 sich zum Rückzug
entschloß, unterstützte Diebitsch Blüchers Plan,
nach Paris zu marschieren. Am 31. März zog
Diebitsch mit den siegreichen Verbündeten in
Paris ein. Nach dem Friedensschluß vermählte er
sich mit Jenny von Tornau. Wenig später war er
als Flügeladjudant ständiger Begleiter Zar
Alexander I. auf dessen Reisen.
1824 wurde er Chef des russischen Generalstabes.
Nach dem Tode Alexander I. erwarb er sich rasch
das Vertrauen seines Nachfolgers, Zar Nikolaus
I., indem er eine Militärverschwörung aufdeckte
und half, den Dekabristenaufstand
niederzuwerfen. Im 1828 ausgebrochenen
Türkischen Krieg trat er als Oberbefehlshaber an
die Stelle Wittgensteins, erzwang den Übergang
über den Balkan und besetzte Adrianopel.
Nikolaus I. belohnte ihn durch die Verleihung
des Beinamens Zabalkanskij (Übersteiger des
Balkans) und die Ernennung zum
Generalfeldmarschall. Als Oberbefehlshaber im
Kampf gegen den 1830 ausgebrochenen polnischen
Aufstand verließ Diebitsch das Kriegsglück. Als
seine Absetzung auf Grund von Intrigen
bevorstand, ereilte ihn am 9. Juli 1931 der Tod
durch die Cholera.
Diebitsch war von kleiner Statur, doch
verkündeten die strahlenden Augen einen feurigen
energischen Geist. Als Taktiker wie als Diplomat
verfuhr er mit ungewöhnlicher Geschicklichkeit
und suchte – angetrieben von Ehrgeiz und
Tatendrang – seinen Willen durchzusetzen. Er war
einer unter vielen schlesischen Adligen, die
seit der Europäisierung des Zarenreiches in
russische Dienste getreten waren. Von russischer
Seite ist seine Bedeutung als militärischer
Ratgeber der Zaren anerkannt worden, gleichwohl
gibt es keine erwähnenswerte russische
Biographie des Feldmarschalls.
Lit.:
Hans Guhr, Hans Graf von Diebitsch-Zabalkanskij,
in: Schlesische Lebensbilder, Band IV, Breslau
19,; Neue Deutsche Biographie, Band m, Berlin
1957.
Abb.:
Gipsbüste von Christian Rauch, 1830
Heinrich Trierenberg
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